DIN-Normen überarbeitet Mehr Freiheit bei der Produktentwicklung

Im September 2021 wurden die Neufassungen der DIN EN 14500 und 14501 veröffentlicht. Drei Experten, die an der Normüberarbeitung beteiligt waren, erklären, was die Einführung des Abschirmwinkels für die Produktentwicklung bedeutet und welche Möglichkeiten sich daraus für Sicht- und Sonnenschutzhersteller ergeben.

Foto-Matrix: Die direkt/direkte Transmission eines Textilscreens bei Änderung des Einfallswinkels und des spezifischen Drehwinkels.
Foto-Matrix: Die direkt/direkte Transmission eines Textilscreens bei Änderung des Einfallswinkels und des spezifischen Drehwinkels. - © Ilg

Die DIN EN 14500 beschreibt die Prüf- und Berechnungsverfahren zur Bestimmung von Reflexions-, Transmissions- und Lichtundurchlässigkeitskenngrößen von innen und außen liegenden Sonnenschutzeinrichtungen. Anhand dieser Messergebnisse legt die DIN EN 14501 die Eigenschaften des thermischen und visuellen Komforts dieser Produkte fest. Seit der Überarbeitung und Veröffentlichung beider Normen im September 2021 sind einige Änderungen für Hersteller und Kunden im Bereich Sicht- und Sonnenschutz wirksam.

"Eine Neuerung erlaubt die Neubewertung des Blendschutzes von Sonnenschutzprodukten", erklären Holger Illg, Christoph Riethmüller und Götz T. Gresser. "Hierzu wurde die Bestimmung des Abschirmwinkels in die Norm aufgenommen." Dieser beschreibe die Fähigkeit einer Sonnenschutzeinrichtung, die Durchlässigkeit von direktem Licht ab einem bestimmten Einfallswinkel zu blockieren. Für die Klassifizierung des Blendschutzes wurden bisher nur die Parameter normal/normaler visueller Transmissionsgrad und normal/diffuser visueller Transmissionsgrad berücksichtigt. In der überarbeiteten Norm erfolge die Quantifizierung des Blendschutzes weiterhin mit diesen Parametern. Bei Sonnenschutzeinrichtungen mit Öffnungsgrad von einem bis drei Prozent bestehe aber nunmehr die Möglichkeit, eine Höherstufung in der Blendschutzklasse zu erreichen. Dies gelte für Abschirmwinkel von 65° oder kleiner.

Besserere Sichtkontakt nach außen

Die Bestimmung des richtungsabhängigen Abschirmwinkels erfolgt durch eine winkelabhängige Messung des direkt/direkten visuellen Transmissionsgrads. Unter einem Einfallswinkel von 0° entspricht dieser dem normal/normalen visuellen Transmissionsgrad. Das Schema (s. Bild unten) zeigt den Aufbau der Prüfung nach DIN EN 14500, die an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) entwickelt wurde:

Schema zur Bestimmung des Abschirmwinkels mit Lichtquelle (1), Diffusor (2), Messprobe auf motorisierter Drehbühne (3), Kollimatorlinse (4), Spektrometer (5).
Schema zur Bestimmung des Abschirmwinkels mit Lichtquelle (1), Diffusor (2), Messprobe auf motorisierter Drehbühne (3), Kollimatorlinse (4), Spektrometer (5). - © Ilg

Der Prüfstand besteht aus einer Lichtquelle (1) und einem Diffusor (2), die eine homogen leuchtende Fläche bereitstellen, deren Lichtstrahlen eine Kollimatorlinse (4) in einem definierten Abstand treffen. Die Messprobe mit Probenhalter wird auf einer motorisierten Drehbühne (3) vor der Kollimatorlinse so angeordnet, dass der Probenmittelpunkt normal zum Strahlengang steht und sich zentral in der Mittelachse befindet. Ein Spektrometer (5) liefert in Echtzeit den direkt/direkten visuellen Transmissionsgrad v, dir-dir in Abhängigkeit des Einfalls- und des spezifischen Drehwinkels. Die Drehbühne wird bei der Prüfung vom Nullpunkt aus so lange gedreht, bis v, dir-dir unter den festgelegten Schwellwert von 0,005 fällt und sich daraus der richtungsabhängige Abschirmwinkel ergibt. Dieser Vorgang wird nach einer azimutalen, schrittweisen Drehung der Messprobe wiederholt. Je nach Symmetrieeigenschaften der Messprobe können bis zu 29 Einzelmessungen zur Bestimmung der richtungsabhängigen Abschirmwinkel notwendig sein. Der Abschirmwinkel ist das Maximum aller richtungsabhängigen Abschirmwi

Die Foto-Matrix (s. erstes Bild) zeigt das Verhalten eines typischen Textilscreens bei der Prüfung. Dabei ändert sich von links nach rechts der Einfallswinkel (0°, 40°, 50°, 60°) und von oben nach unten der spezifische Drehwinkel (0°, 45°, 90°) der Messprobe. Zur Veranschaulichung wurde die kreisförmige homogene Leuchtfläche des Diffusors im Prüfstand durch eine Apertur mit Sonnensymbol ersetzt.

"Durch die Einbeziehung des Abschirmwinkels in die Klassifizierung des Blendschutzes ergeben sich interessante Ansätze für Neuentwicklungen", resümieren die Autoren. "Insbesondere sind Produkte mit besserem Sichtkontakt nach außen bei gleichbleibendem Blendschutz möglich." Für kundenspezifische Entwicklungen stehen an den DITF Labore mit hochspezialisierter Messtechnik und erfahrenem Fachpersonal zur Verfügung.

Über die Autoren

  • Holger Illg, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Technologiezentrums Smart Living Textiles,
  • Christoph Riethmüller, Leiter des Technologiezentrums Smart Living Textiles und Denkendorfer Zukunftswerkstatt, sowie
  • Prof. Dr.-Ing. Götz T. Gresser, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung (DITF),

waren an der Überarbeitung der DIN EN 14500 "Abschlüsse – Thermischer und visueller Komfort – Prüf- und Berechnungsverfahren" (Arbeitskreis CEN/TC33/WG3/TG5) im Bereich Verdunklungsleistung, direkter Transmissionsgrad, Bestimmung des Abschirmwinkels innen und außen liegender Sonnenschutz beteiligt.