Schadensfall 1/2015 Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Handwerker

Die ITRS-Veröffentlichung „Richtlinien zur Beurteilung von konfektionierten Markisentüchern“ beschreibt, was bei solchen Sicht- und Sonnenschutz-Produkten als technisch unvermeidbar gilt. Allein, so mancher Endkunde ist überrascht von Risiken und Nebenwirkungen; klären Sie ihn also rechtzeitig darüber auf.

Der Besitzer einer verglasten Pergola bestellte als Beschattungselement eine Unterspann markise. Aufgrund der Platzverhältnisse sollte der Blendenkasten nach unten verlegt werden und die Anlage über eine geringfügige Steigung ausfahren. - © Müller

Schadensbild

Im vorliegenden Fall wünschte sich der Besitzer einer verglasten Pergola als Beschattungselement eine Unterspannmarkise. „Aufgrund der Platzverhältnisse sollte der Blendenkasten nach unten verlegt werden, die Anlage über eine geringfügige Steigung ausfahren“, erklärt un ser Experte Gerd-Joachim Müller, Sachverständiger der IHK Frankfurt für Tore, Sonnenschutz und Rollläden. Die georderte Anlage weist ein Gestell mit einem nahezu weißen, unifarbenen Tuch auf. Wie Müller berichtet, stellte der Kunde bereits kurz nach der Montage „wabenförmige Ausbildungen und Falten beim Aufrollen“ fest und beschwerte sich darüber. „Weder dem Nichtfehlerkatalog noch den Ausführungen des herbeigerufenen Außendienstmitarbeiters schenkte der Besitzer der Anlage Vertrauen. Es kam zur Klage“, berichtet der Sachverständige. Das Gericht hatte zu klären, ob die von der Klägerseite angebrachte Markise auf dem Anwesen der Beklagten in einem technisch nicht einwandfreien Zustand wäre. Insbesondere stand die Frage im Raum, ob die wabenförmigen
Ausbildungen des Stoffs in einer Breite von jeweils 20 bis 60 Zentimeter von einem fehlerhaften Zuschnitt des Tuchs der Markise stammten bzw. auf eine fehlerhafte Montage der Markise zurück zuführen seien. Das Gericht musste auch klären, ob sich beim Bedienen der Anlage bzw. beim Einrollen im Bereich der vorderen Aufrollwalze, insbesondere
links und rechts von der mittleren und linken Markisennaht, über die Stoffbahn diagonal verlaufende Wellen aufbauten und ob diese Wellenbildung konstruktions‐ bzw. montagebedingt
fehlerhaft und somit nicht fachgerecht sei. Außerdem ging es um die Frage, ob sich beim Aufrollen der Markise an den Wellenenden links und rechts ebenfalls wabenförmige Stoffstauchungen aufbauten und dieser Zustand ebenfalls als technisch fehlerhaft angesehen werden müsse.

Schadensanalyse

Es stellte sich heraus, dass der Kunde beim Kauf der Markise nicht über die – nach Aussage des Sachverständigen – insbesondere bei hellen unifarbenen Tüchern in aller Regel auftretende Wabenbildung informiert worden war. Müller: „Den Nichtfehlerkatalog bzw. die diesbezüglichen Hinweise, welche eigentlich alle Hersteller in ihren Katalogen abdrucken, hat dem Kunden offensichtlich niemand erklärt, diese Angaben gelangten nicht in sein Bewusstsein.“ Gerade Kunden, die sich für fast weiße Bespannungen entscheiden, achten nach Aussage des Experten erfahrungsgemäß wesentlich mehr auf das Erscheinungsbild. „Sie sind bei jeglicher Auffälligkeit oft bereit, den Montagebetrieb hierfür zur Verantwortung
zu ziehen.“ Das meist mühsam auf gebaute Vertrauensverhältnis des Handwerkers zum Kunden gehe offensichtlich schlagartig verloren, sobald die erste Tuchfalte erscheint.

Hintergrund

Es stellte sich heraus, dass die Markise einwandfrei montiert worden war. Die Bespannung rollte nahezu exakt übereinander. „Oben sind lediglich Wickelfalten entstanden durch die Nahtaufdoppelung sowie die bekannte Waffelbildung infolge der im 45-Grad-Winkel wirkenden Zugspannungen, die daraus resultieren“, erläutert der Sachverständige. „Bei einem Ausfall von 300 Zentimeter und einem Wellendurchmesser von 85 Millimeter werden bei dem im Nahtbereich doppelt aufliegenden Tuch zwölf Umdrehungen der Welle zum
Einfahren benötigt.“ Dabei entstehe, quasi nebenbei, ein Luftpolster von sechs Millimeter. „Das muss zur Faltenbildung führen“, betont Müller.

Die im Tuch entstehenden Spannungen rührten aus der durch die Naht fixierten Nachbarschaft von doppelt und einfach aufgerolltem Tuch. Das Tuch ohne Naht müsste nach Expertenmeinung um 37,7 Millimeter kürzer als das Tuch im Nahtbereich sein. „Da dies bestimmungsgemäß nicht möglich ist, kommt es mit größer werdendem Tuchausfall auch zu einer Ausdehnung der Faltenbildung bzw. des Faltenbereichs.“ Damit die Faltenbildung nicht zur Tuchzerstörung führe, sollten sich die Falten seitlich ausbreiten können. Der beschriebene Effekt lasse sich vor Ort gut durch etwas Druck mit dem Finger darstellen. In der Veröffentlichung „Richtlinien zur Beurteilung von konfektionierten Markisentüchern“ des ITRS sei dieses Phänomen genau beschrieben und zu Recht als technisch unvermeidbar bezeichnet.

Lösung

Gibt es eine Lösung für dieses Problem? Müller rät dazu, den Kunden aufzuklären. Ein qualifizierter Verkäufer sei verantwortlich dafür, seinen Kunden spätestens bei dessen erster Äußerung bzw. bei dessen Wunsch nach einer hellen unifarbenen Bespannung auf die damit einhergehende Problematik aufmerksam zu machen. „Es empfiehlt sich generell, auch bei Streifen oder anderen Dekoren, auf das Phänomen hinzuweisen.“ Die hier beschriebene Problematik ergibt sich laut Müller bei allen Tüchern, unabhängig von Fabrikat, Farbe und Markisentyp. Die Auswirkungen lassen sich durch die Wahl der Fügetechnik (Kleben) oder dünnere Tücher lediglich abmindern, derzeit aber nicht endgültig beseitigen. „Wir weisen heute auf die Problematik bei zu flacher Neigung und Regen oder auf die Windproblematik hin, was der Kunde in aller Regel aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann. Die Problematik der Wickelfalten hingegen sprengt den Erfahrungshorizont deutlich“, weiß der Sachverständige.