Schadensfall 11-12-22 Wie hoch ist die Ablösesumme?

An einem neu gebauten Wohnhaus fallen die Rollladen-Führungsschienen ab und die Aluminium-Winkel lösen sich von den Endleisten. Ein Sachverständiger erhielt den Auftrag, den Ablöseproblemen auf den Grund zu gehen.

Die mittlere Führungsschiene ist lose.

Eine Baugenossenschaft hatte ein vierstöckiges Wohnhaus mit integriertem Kindergarten errichten lassen. Als Sicht- und Sonnenschutz kommen an den Fenstern und Türen motorisierte PVC- und Aluminium-Aufsatzrollläden zum Einsatz, die ein Fensterbaufachbetrieb zusammen mit den Fensterelementen montierte.

Mängel nach Fertigstellung

Der Bauherrschaft zufolge muss es dabei zu gravierenden Fehlern gekommen sein: Seit der Fertigstellung des Gebäudes und der Inbetriebnahme der Rollläden sind an mehrteiligen Elementen mehrfach die mittleren Kunststoff-Führungsschienen abgefallen. Auch die seitlichen, mutmaßlich eingeputzten Führungsschienen lösen sich und drohen herunterzufallen. Des Weiteren haben sich an einigen Fenstern die Aluminium-Winkel von der Rollladen-Endleiste gelöst, so dass die betroffenen Rollläden nach dem Hochfahren oben im Kasten verschwunden sind.

Schadensbild Kindergarten EG

Die Baugenossenschaft beauftragte einen Sachverständigen, die Ursache der Mängel festzustellen. Beim Vor-Ort-Termin begutachtete der Sachverständige zunächst die Fenster im Erdgeschoss des Kindergartens. An der Ostseite stellte er fest, dass sich die in der Mitte des Fensterbands befindlichen Kunststoff-Führungsschienen gelöst haben. Befestigt waren diese mit Nippelschrauben. Auch die seitlichen Führungsschienen sind locker. Sie sind nicht eingeputzt. Die Fuge zwischen Führungsschiene und Putz ist lediglich mittels Acryl abgedichtet, das sich nun abgelöst hat. Dadurch tritt Wasser ein, die Schlagregendichtigkeit ist nicht gewährleistet.

Auf der Südseite hat sich an der Türkombination der Aluminium-Winkel von der Endleiste des verbauten Aluminium-Rollladens gelöst. Dieser würde bei erneuter Auf- und Ab-Bewegung abfallen und zu einem Defekt der Rollladenanlage führen. Die seitlichen Führungsschienen sind auch hier nicht überputzt. Sie könnten sich lösen und zu Beschädigungen der Rollläden führen.

Schadensbild Kindergarten OG

Als Nächstes ging der Sachverständige ins Obergeschoss des Kindergartens. Im Lese- und Spielraum stellte er fest, dass die unteren zwölf Kunststoff-Rollladenstäbe des am zweiten Rettungsweg eingebauten Rollladens nach außen hin verbogen sind. Der Rollladen baucht 40 Millimeter aus, es sind dunkle Abriebspuren zu erkennen. Des Weiteren ist der Rollladen außer Funktion. Beim Betätigen des Schalters bleibt er unten. Die seitlichen Führungsschienen sind wiederum nicht fachgerecht eingeputzt – lediglich die seitlichen, unteren Zinkbleche halten sie. Aus Sicherheitsgründen entfernte der Sachverständige den Rollladen beim Ortstermin.

An der Fenstertür im gleichen Raum befand sich der Aluminium-Rollladen oben im Kasten. Er war ohne Funktion. Der Abschlusswinkel an der Endleiste war abgefallen, so dass der Rollladen ohne oberen festen Anschlag in den Kasten gefahren war. Die mittleren Führungsschienen werden dort nur im unteren Bereich gehalten, und zwar durch das an der Tür befestigte Absturzgitter. Im oberen Bereich sind die Führungsschienen nicht mehr befestigt. Die seitlichen Führungsschienen sind nicht richtig eingeputzt und werden sich lösen.

Im Rollenspiel-Raum im Obergeschoss war der dort befindliche Aluminium-Rollladen ausgebaut. In der Mitte sind die Führungsschienen im oberen Bereich lose. Ohne die über das Absturzgitter hergestellte Befestigung würden diese abfallen. Die seitlichen Führungsschienen sind nicht richtig eingeputzt und werden sich lösen. Ferner ist der Aufbaukasten nicht vollständig befestigt. In der Mitte lässt sich das Befestigungsprofil nach oben klappen. Dies führt zu einem nicht einwandfreien Lauf des Rollladens.

Schadensbild Wohnungen

In den einzelnen Wohnungen des Gebäudes zeigten sich die gleichen Mängel wie an den Elementen im Kindergarten. Stichpunktartig überprüfte der Sachverständige an mehreren Fenstern die Festigkeit der seitlichen Führungsschienen und der Putzanbindung. Das Ergebnis: In allen Fällen sind die Führungsschienen nicht eingeputzt und die Acryl-Fuge, mittels welcher die Schienen am Putz verklebt sind, hat sich bereits gelöst. Es ist somit keine Schlagregendichtigkeit vorhanden. Ebenso stellte der Sachverständige fest, dass in mehreren Wohnungen die mittleren Führungsschienen locker sind und sich die an der Aluminium-Endleiste der Rollläden eingebauten Aluminium-Winkel durch geringen Druck lösen.

Schadensanalyse Mittlere Führungsschienen

Die in der Mitte verbauten Kunststoff-Führungsschienen mit den Maßen 55 mal 35 Millimeter sind nicht in der Leistungserklärung erwähnt und entsprechen nicht den Anforderungen der DIN EN 13659. Die ausgeführte Befestigung mittels Nippelschrauben ist gemäß technischem Nachweis nicht vorgesehen, um die Schlagregendichtheit der Rollladen-Führungsschienen herzustellen. Aufgrund der Materialwahl Kunststoff halten die Führungsschienen nicht. Sie fallen ab. An den Türen in den Obergeschossen würden die Führungsschienen ebenso abfallen, wären sie nicht mit dem Fallschutzgitter verschraubt. Bei der Begutachtung waren die Führungsschienen im oberen Teil beweglich.

Eine einfache Lösung für den Mangel gibt es nicht: Eine direkte Befestigung mittels Durchgangsschrauben lässt die Materialbeschaffenheit der verwendeten Führungsschienen nicht zu. Hierfür fehlt die Zulassung in der CE-Konformitäts- bzw. der Leistungserklärung. Daher müssen die Führungsschienen entfernt und durch geeignete, zertifizierte Führungsschienen, z.B. aus Aluminium, ersetzt werden. Diese sind tragfähiger und eignen sich für die Befestigung mittels Durchgangsschraube.

Schadensanalyse Seitliche Führungsschienen

Die seitlichen Führungsschienen sind nicht mindestens 30 Millimeter überputzt, wie es die sog. Putzrichtlinie festlegt. Sie sind an den Seiten nur fünf Millimeter mit Acryl verklebt. Die Folge: Die Führungsschienen lösen sich und können von den oberen Stockwerken nach unten fallen und Menschen verletzen. Der Sachverständige bewertete die Situation so, dass Gefahr für Leib und Leben besteht. Er forderte, die Führungsschienen sofort zu sichern oder den betreffenden Bereich abzusperren.

Schadensanalyse Aluminium-Winkel

Der Aluminium-Winkel ist an den Rollladen-Endleisten eingeklipst. Löst er sich, haben die Rollläden keinen oberen Anschlag mehr. Der Rollladen fährt komplett ein und ist funktionslos. Durch Nachfrage bei einem großen Weiterverarbeiter brachte der Sachverständige in Erfahrung, dass dieser das Problem kennt und den Winkel mittlerweile nicht mehr einsetzt: Sobald die Rollladen-Endleiste nicht komplett gerade unten aufsetzt, verbiegt sie sich und der Winkel springt an den Seiten heraus. Nach mehreren Fahrten löst er sich komplett und fällt herunter.

Die Winkel durch eine Befestigungsschraube zu sichern, ist dem Sachverständigen zufolge wegen der Verletzungsgefahr nicht möglich. Sämtliche Aluminium-Endleisten sind zu entfernen und durch Winkel-Endleisten zu ersetzen.

Kosten für Mängelbehebung

Die Schadensanalyse in Kurzfassung: Die Kunststoff-Führungsschienen lösen sich, da sie nicht passend ausgewählt wurden und mangelhaft befestigt sind. Nachweise für deren Einsatz mit den verbauten Aufbaurollläden liegen nicht vor. Des Weiteren sind die seitlichen Führungsschienen nicht eingeputzt. Die Rollläden sind somit nicht fachgerecht verbaut – auch ist so für keinen der Rollläden eine Windwiderstandsklasse gemäß DIN EN 13659 gegeben. Da die Aufbaurollläden nicht durchgängig mit dem Fenster verbunden sind, kommt es zu Schäden an den Rollläden. Die Ursache, dass an einigen Rollläden die Aluminium-Winkel von der Endleiste abfallen, liegt darin, dass der Winkel mangelhaft ist. Er löst sich, wenn der Untergrund nicht gerade und eben ist.

Um die Mängel zu beheben, rechnet der Sachverständige mit Blick auf einen ähnlichen von ihm begutachteten Schadensfall mit Kosten zwischen 16.000 und 21.000 Euro, zzgl. der Kosten für Einrüstung und Verputzarbeiten.

So sind Sie auf der sicheren Seite

Bei den Führungsschienen hat der Verarbeiterbetrieb die falsche Materialwahl getroffen, auch die Befestigung ist mangelhaft ausgeführt. Ein kontrollierender Blick in die technischen Nachweise hätte ausgereicht, um den Fehler zu vermeiden. Dass die seitlichen Führungsschienen einzuputzen sind, ist in der sog. Putzrichtlinie („Anschlüsse an Fenster und Rollläden bei Putz, Wärmedämm-Verbundsystem und Trockenbau“) nachzulesen. Mehrere Verbände haben hier zusammengearbeitet mit dem Ziel, dass abstimmungsbedürftige Schnitt- und Nahtstellen besser ausgeführt werden. Im vorliegenden Fall wurde davon leider kein Gebrauch gemacht.