Ein aktuelles Umsatzminus von drei Prozent trübt derzeit die Stimmung der Branche. Auf der Jahrestagung Ende September gab es aber auch einige gute Neuigkeiten zu vermelden. Zudem hat der Vorstand die Zeit genutzt, um vielfältige neue Projekte anzustoßen und umzusetzen.
Die aktuellen Zahlen: wenig vielversprechend. Der Absatz: sinkend. Und ausgerechnet ein Sommer wie dieser – der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1951 – hat den Herstellern von innenliegendem Sonnenschutz ein echtes Sommerloch beschert. Ingo Fahl, Vorstandsvorsitzender des Verbands Innenliegender Sonnenschutz (ViS), fand in seiner Begrüßung der mehr als 100 Gäste der Jahrestagung zunächst wenig Erfreuliches zu berichten.
„Ging es auf der letztjährigen Verbandstagung in Bamberg vor allem um die Pandemie und ihre Folgen, so müssen wir uns heute zusätzlich mit Themen wie der Inflation, mit Lieferengpässen und der Energieverknappung beschäftigen, die sich unweigerlich auch in unserer eigenen Branche niederschlagen“, sagte Fahl im vollen Konferenzsaal des Leipziger Hyperion-Hotels. Aber es gab auch Positives zu berichten: Mit Hersteller Leha sowie den Lieferanten Neher, Sieben Medien GmbH und Kirayteks begrüßte der Vorstandsvorsitzende gleich vier neue Mitglieder im Verband, der sich dank seines beständigen Wachstums nun der 60-Mitglieder-Grenze nähert.
Zurückhaltung und Preissensibilität
Anschließend übernahm ViS-Geschäftsführer Martin Auerbach das Mikrofon und berichtete kurz von der internen Tagung am Vortag, bei der Josef Schulze-Bäing von van Clewe Sun Protection und Mirko Müller-Stüler von Hunter Douglas Components als neue Sprecher der Lieferanten-Mitglieder gewählt wurden. Der bisherige Sprecher Klaus Germes von Coulisse wird sich demnächst in den Ruhestand verabschieden.
Für die Hersteller von innenliegendem Sicht- und Sonnenschutz sei es definitiv kein guter Sommer gewesen, so Auerbach: Das Umsatzminus liege aktuell bei drei Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Absatz weise sogar ein Minus von zehn Prozent auf. „Diese Ergebnisse offenbaren, wie stark das aktuelle Konsumverhalten der Verbraucher von Zurückhaltung und Preissensibilität geprägt ist“, erklärte er. Ganz egal, ob Rollos, Plissee oder Jalousien – der Umsatz ging bei fast allen Produkten zurück. Ausgenommen waren lediglich die Raff- und Faltrollos mit einem deutlichen Umsatzplus von 16,4 Prozent.
Ein ähnliches Bild ergeben die Absatzzahlen im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: Auch hier ist ein Minus von ganzen zehn Prozent zu verbuchen. Bei den Umsatzanteilen der einzelnen Produktgruppen gibt es in diesem Jahr bisher kaum Verschiebungen. So liegen Plissees und Wabenplissees mit 49 Prozent als umsatzstärkste Fraktion vorn. Platz zwei belegt der Insektenschutz mit einem Umsatzanteil von 19 Prozent. Rollos, die leichte Verluste von 0,3 Prozent eingefahren haben, stehen auf Platz drei der Liste.
Stimmungsbild der Branche eingefangen
Im Vorfeld der Jahrestagung hatte der Verband im Juli und September mehrere Blitzumfragen unter den Herstellern durchgeführt, um ein aktuelles Stimmungsbild mit nach Leipzig zu bringen. Insgesamt rechnen die Mitglieder in den kommenden Monaten mit deutlich steigenden Preisen für Gas, Strom und Rohstoffe.
Was diese Preissteigerungen betrifft, so hofft die Mehrheit der Umfrageteilnehmer, bis zu zehn Prozent davon an die Kunden weitergeben zu können – 14 Prozent glauben jedoch nicht an eine mögliche Weitergabe. Einig waren sich die Befragten in der Einschätzung, dass Verbraucher in der nächsten Zeit zurückhaltend mit größeren Anschaffungen sein werden. Die dadurch zu erwartenden Umsatzeinbußen schätzen insgesamt 76 Prozent der Umfrageteilnehmer auf zehn bis dreißig Prozent. Immerhin sechs Prozent der Mitglieder rechnen mit mehr als 50 Prozent Einbußen.
App vernetzt die ViS-Mitglieder neu
Nach den Zahlen, Daten und Fakten gab der ViS-Geschäftsführer einen Einblick in die Verbandsarbeit des vergangenen Jahres und konnte mit einer Vielzahl von Projekten aufwarten. Neben dem Neustart der Webseite im Frühjahr hat der ViS in Zusammenarbeit mit seinen Partnerverbänden, dem Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie (Heimtex) und dem Fachverband Matratzenindustrie, seine neue Verbandsapp gelauncht.
Sie ersetzt ab sofort den Mitgliederbereich der bisherigen Homepage und ermöglicht den direkten Austausch der Mitglieder untereinander. Mit dem Tool ist es möglich, direkt an Umfragen teilzunehmen oder Rundschreiben und Pressemitteilungen abzurufen. In separaten Gruppen und Räumen können sich Projektgruppen unkompliziert über die Projektarbeit austauschen.
Lehrbuch und Richtlinie in Neuauflage
Auf die Broschüre und das Video zur Novellierung der DIN EN 14501 („Abschlüsse - Thermischer und visueller Komfort – Leistungsanforderungen und Klassifizierung“) folgten 2022 nun inhaltliche Anpassungen der „Richtlinie Produkteigenschaften“. Geplant ist, so Auerbach, auch die Überarbeitung der Bildschirmarbeitsplatzbroschüre. Zudem sei ein weiteres Supplement in Planung, das bereits für verschiedene Publikumstitel gebucht sei.
Daneben steht die Überarbeitung des Lehr- und Informationsbuchs „Sicht- und Sonnenschutz – Verbindung von Design und Funktion“ an. Das Handbuch des Außendienstes und der Raumausstatter-Azubis soll im kommenden Jahr in modernem Gewand auf den Markt kommen; geplant ist auch eine E-Book-Version.
Wie Auerbach berichtete, sind auch die Ergebnisse der Untersuchungen von verfärbten Fensterrahmen recht erfreulich: Verbraucher hatten beklagt, dass der innenliegende Sicht- und Sonnenschutz für schwarze Verfärbungen an Kunststoffrahmen verantwortlich sei. Der ViS hatte daraufhin das Institut für Fenstertechnik in Rosenheim eingeschaltet. „Der Sicht- und Sonnenschutz ist nicht für die Verfärbungen zuständig“, fasst der Geschäftsführer die Ergebnisse erfreut zusammen. „Derzeit laufen aber noch Vergleichsuntersuchungen mit anderen Kunststoffarten, um die ersten Ergebnisse zu bestätigen und eine belastbare Aussage zu erzielen.“
Stoffkreisläufe schließen
Auch die Kreislaufwirtschaft sei ein zunehmend wichtiges Thema für die ViS-Mitglieder, um fossile Brennstoffe einzusparen und Stoffkreisläufe zu schließen. Materialien aus Produkten müssen langfristig an ihrem Lebensende wieder als Rohstoffe verfügbar gemacht werden. Entscheider in Unternehmen seien aber oft noch zögerlich bei der Implementierung von zirkulären Geschäftsmodellen (Circular Business Models, CBM), da sie zunächst mit einem Mehraufwand verbunden seien.
Vor diesem Hintergrund haben die drei Verbandsmitglieder Verotex, Benthin und Teba an einem „CIRCO“-Workshop der Effizienz-Agentur NRW teilgenommen. Dabei wurde die lineare Wertschöpfungskette von Plissees betrachtet, Wertverluste durch Entsorgung identifiziert und Möglichkeiten erarbeitet, um diese durch Recycling zu vermeiden.
Vorbildliche Energieeffizienz
Auch verbandsintern werde das Thema Energieeffizienz gelebt, wie der Geschäftsführer berichtete: In der Wuppertaler Geschäftsstelle ist seit kurzem eine Tahoma-Box von Somfy installiert, die u.a. die Heizungsthermostate vernetzt und per Handy steuerbar macht. Und so konnte Martin Auerbach in Leipzig die aktuellen Temperaturen in den einzelnen Büros aufzeigen (vorbildliche sieben Grad bei den abwesenden Kollegen!). Damit unterstützt die Box den Verband jetzt dauerhaft beim Einsparen von Heizkosten.
Am Abschluss seines kurzweiligen Berichts wies der Geschäftsführer auch auf das im kommenden Jahr anstehende 75-jährige Verbandsjubiläum hin. Der Termin ist bereits für den 12. und 13. Oktober 2023 eingeplant, weitere Details sind jedoch noch streng geheim. Wer mag, kann sich ebenfalls den 5. Mai 2023 notieren: Dann bietet das 4. Netzwerktreffen des Kompetenz-Zentrums Textil + Sonnenschutz den Mitgliedern Gelegenheit zum Austausch – gemeinsam mit den Mitgliedern des Verbandes der Deutschen Heimtextilien-Industrie (Heimtex) und des Fachverbandes Matratzenindustrie.
Nach dem Bericht des Geschäftsführers und der ausgedehnten Kaffeepause folgte der abschließende Impulsvortrag von Wissenschaftsjournalist und Abenteurer Timm Kruse. Der frühere ZDF- und NDR-Redakteur berichtete aus seinem bewegten Leben, aus dem er sich immer wieder Auszeiten genommen hat – sei es, um auf einem Boot im Mittelmeer zu leben, als Chauffeur eines Gurus um die Welt zu reisen oder um über Stand-up-Board die Donau vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer zu bereisen. Immer auf der Suche nach Freiheit und neuen Herausforderungen – und um aus dem Hamsterrad auszubrechen. Kruse ermunterte die Verbandsmitglieder, sich Auszeiten zu nehmen und dadurch den Blick über den Tellerrand zu wagen.