Schadensfall 11-12/2019 Kraftbetätigte Tore – darauf müssen Sie achten

Dass es in der Normung der Torbranche locker zugeht, ist ein Irrglaube. Das Gegenteil ist der Fall, sagt der ö.b.u.v. Sachverständige Markus Macal. Anhand der Normen DIN EN 12453 und DIN EN 12604 erläutert er, warum es sich lohnt, an Fortbildungsseminaren teilzunehmen.

Das Bild zeigt eine gefährliche Stelle: Hier muss der Abstand zwischen den Kontaktleisten und dem Torblatt so berücksichtigt werden, dass ein mitfahrendes Kind erkannt wird. - © Macal

Die beiden im Jahr 2017 herausgebrachten Normen DIN EN 12453 und DIN EN 12604 haben es in sich. In der Praxis werden wieder einmal Jahre vergehen, bis die neuen Aspekte auch beim letzten Tormonteur oder Servicetechniker angekommen sind. Gerade die Phase der Unwissenheit ist allerdings häufig ein Grund für einen Zivil- oder Strafprozess. Der nachfolgende Bericht soll zur Aufklärung der Normenlage beitragen, aber vor allem motivieren, an Weiter- und Fortbildungen teilzunehmen.

MINDESTSCHUTZNIVEAU EINHALTEN

Um etwas konkreter zu werden, möchte ich anhand von einigen Beispielen erklären, worauf zukünftig zu achten ist: Das Mindestschutzniveau eines Tores sollte in allen Köpfen sein. Möchte ich eine kraftbetätigte Toranlage, zum Beispiel eine Schiebetoranlage, richtig absichern, muss ich zunächst eine Risikobeurteilung nach Maschinenrichtlinie durchführen. Grundlage sind die beiden oben genannten C-Normen DIN EN 12453 und DIN EN 12604.
Zunächst ist der Einbauort zu betrachten. In der Regel wird sich ein Schiebetor immer im öffentlichen Bereich befinden, da diese Tore Grundstücke einfrieden und sich zumindest einseitig im öffentlichen Bereich befinden. Hier ist dann der „besonders schutzbedürftige Personenkreis“ zu berücksichtigen: Menschen, die als nicht eingewiesen gelten und älter sind, Gehbehinderte oder auch Kinder. Sämtliche Haupt- und Nebenschließkanten sind mit Kontaktleisten auszustatten. Das Tor muss im Fall der Berührung mit einer Person stoppen und zwingend reversieren, also sofort in Umkehrrichtung fahren. Damit aber nicht genug: Ist das Tor tatsächlich vollautomatisiert, muss zumindest eine berührungslose Überwachung montiert werden, die sog. D-Einrichtung. Wo diese genau montiert wird, ist dem Prüfkörper zu entnehmen.

TORANLAGE MUSS WINDLASTEN WIDERSTEHEN

Entscheidend ist aber auch, dass zwischen der D-Einrichtung (Lichtschranke) und der gegenüberliegenden Seite des Tors nicht mehr als 150 Millimeter Abstand bestehen. Sollte der Abstand größer sein, was bei einem Schiebetor eher üblich ist, muss eine zweite Lichtschranke gegenüber montiert werden. Auch eine Blitzleuchte kann als zusätzliche visuelle Einrichtung vor einer Gefahr (bewegliches Tor) warnen. Diese ist zwar nicht normativ vorgeschrieben, kann aber durchaus wirksam sein. Weiterhin ist darauf zu achten, dass das Mitfahren mit dem Tor keine Gefahr mit sich bringt. Sobald eine Gefahrenstelle erreicht wird, muss das Tor stoppen. Auch hierfür steht ein Prüfkörper zur Verfügung, der in einer ungünstigen Position auf das Tor gebracht wird und erkannt werden muss.
Was völlig vernachlässigt wird, ist die Tatsache, dass die Toranlage dem Wind widerstehen muss. Hierzu ist die DIN EN 12424 heranzuziehen. In Verbindung mit der EN 1991, die einem auch die Windzonen innerhalb der BRD aufzeigt, ist die richtige Windklasse zu wählen. Grundsätzlich ist auch ein Schiebetor ein Bauprodukt und ein Bauwerk. Daher sind die o.g. Nomen relevant und müssen beachtet werden. Unterhalb von Klasse 2, die mit 450 Newton pro Quadratmeter berechnet wird, ist ein Schiebetor nicht in den Verkehr zu bringen. Bei genauen Berechnungen werden Sie eher die Klasse 3 mit 700 Newton pro Quadratmeter wählen müssen. Es fragt sich aber leider immer wieder, wer diese Aspekte wirklich genau betrachtet und berücksichtigt. Hier sind vor allem auch die vielen Metallbauer gefragt, die nach wie vor etliche Tore in den Verkehr bringen. Leider muss man immer wieder feststellen, dass weder eine korrekte Absicherung vorliegt noch eine vollständige Dokumentation.

FEHLENDE DOKUMENTE ALS MANGEL

Auch fehlende Dokumente stellen im Ernstfall einen Mangel dar. Prüfbuch, Einbauanleitung und Betriebsanleitung gehören als Mindeststandard dazu. Die meisten Metallbauer legen die Anleitung des Antriebsherstellers als alleinige Dokumentation vor. Dass das bei weitem nicht ausreicht, sollte inzwischen überall angekommen sein. Genauso wichtig wie diese Dokumente ist die Leistungserklärung, die seit dem 1. Juli 2013 durch die Bauproduktenverordnung (BauPVO) vorgeschrieben wird. In dieser Erklärung muss der Metallbauer die Leistungen seines Tores deklarieren. Um beim Beispiel Schiebetor zu bleiben, sind das zumindest die folgenden drei Grundanforderungen: Windlasten, Betriebskräfte, sicheres Öffnen.
Da ich bereits im ersten Teil über Betriebskräfte und Windlasten berichtet habe, möchte ich kurz auf das sichere Öff nen eingehen. Um das sichere Öffnen zu gewährleisten, ist es zwingend erforderlich, dass das Tor beim Überfahren eines Endschalters einen richtig dimensionierten Endanschlag hat. Das Tor darf auch aus seiner Bewegung heraus (dynamische Kräfte) diesen Endanschlag weder verformen noch abreißen.