Schadensfall 5-6/24 Wenig Tuch, wenig Schatten

Die neue Kassettenmarkise verschattet schlechter als die alte Anlage. Um diesem Vorwurf der Bauherren auf den Grund zu gehen, setzte der vom Gericht beauftragte Sachverständige auch ein Schattensimulationstool ein.

Beispielsimulation aus dem Warema-Schattensimulator für den 11. April um 11 Uhr: Mit ihrem 3.665 Millimeter breiten Tuch verschattet die neu installierte Kassettenmarkise 92 Prozent der Fensterfläche. Die alte Markise hatte die Fenster­fläche zu 98 Prozent und damit fast vollständig verschattet.
Beispielsimulation aus dem Warema-Schattensimulator für den 11. April um 11 Uhr: Mit ihrem 3.665 Millimeter breiten Tuch verschattet die neu installierte Kassettenmarkise 92 Prozent der Fensterfläche. Die alte Markise hatte die Fenster­fläche zu 98 Prozent und damit fast vollständig verschattet. - © Hochmuth

Ein Ehepaar hatte einen R+S-Fachbetrieb beauftragt, den Wintergarten seines Einfamilienhauses mit einer neuen Markise auszustatten. Der Begeisterung über die neue Verschattung folgte nach Abschluss der Arbeiten jedoch sehr schnell Ernüchterung. Die Auftraggeber beklagten sich, dass die an der Hauswand installierte Kassettenmarkise den Wintergarten nicht so umfassend beschatte wie die alte Anlage. Zudem bleibe die Markise beim Ein- und Ausfahren am Balkon hängen, wodurch der Stoff Falten werfe.

Da mit dem ausführenden Betrieb keine Einigung über die reklamierten Mängel zu erzielen war, landete der Fall vor Gericht. Der hinzugezogene Sachverständige sollte klären, inwieweit der Beschattungsgrad der neuen Markise von dem der alten Markise abweicht und was es mit den Problemen beim Ein- und Ausfahren auf sich hat.

Vor-Ort-Termin: Maße der alten und neuen Markise im Vergleich

Beim Ortstermin stellte der Sachverständige fest, dass die installierte Markisenanlage einen Ausfall von 3.000 Millimeter und eine Gesamtbreite von 3.920 Millimeter hat. Die Breite des Markisentuchs beträgt 3.665 Millimeter. Das Problem: Der Wintergarten ist 4.000 Millimeter breit. Im Gesamtmaß ist die angebrachte Kassettenmarkise folglich um 80 Millimeter zu schmal, mit Blick auf den Markisenstoff fehlen weitere 255 Millimeter. In anderen Worten: Der 4.000 Millimeter breite Wintergarten ist lediglich auf einer Breite von 3.665 Millimeter beschattet. Dadurch kommt es dem Sachverständigen zufolge zu Schlagschatten am Glas des Wintergartens.

Die alte Markise hatte vorliegenden Dokumenten zufolge die Maße von 3.000 mal 4.000 Millimeter, wobei nach Rückfrage beim Hersteller 80 Millimeter abgezogen werden müssen, um die Breite des Markisentuchs zu bestimmen. Der Stoff war demzufolge 3.920 Millimeter breit und verschattete den Wintergarten nahezu vollständig.

Analyse: Schattensimulation bringt Klarheit

Auf Basis der festgestellten Daten nutzte der Sachverständige das Softwaretool Schattensimulator von Warema, um für beide Markisen die Schattenbildung im Jahresverlauf zu analysieren. Aufgrund der Einbaurichtung in 155 Grad Südost ermittelte er die Werte jeweils für den Sonnenstand um 11 Uhr am 1. und 15. eines jeden Monats.

Die Ergebnisse bestätigten die Vermutung der Bauherren: Durch das Differenzmaß von 255 Millimeter mit Blick auf das Markisentuch beschattet die neue Markise den Wintergarten nicht so umfassend wie die alte Anlage (siehe Bild Beispiel­simulation). Während bei der alten Markise durch das Stoffmaß von 3.920 Millimeter nur 80 Millimeter fehlten, um den Wintergarten vollständig zu verschatten, fehlen bei der neuen Anlage 335 Millimeter, um dieses Ziel zu erreichen.

Warum der Markisenstoff Falten wirft

Und was hat es mit den Problemen beim Ein- und Ausfahren der neuen Markise auf sich? Der Sachverständige stellte beim Ortstermin fest, dass das Ausfallprofil der Kassettenmarkise an der von außen gesehen rechten Seite an der Zinkverkleidung des daneben befindlichen Balkons hängen bleibt, wodurch Beschädigungen sowohl an der Markise als auch an der Verkleidung auftreten.

In seinem Gutachten hielt der Experte fest, dass sich die Abdeckkappe am Ausfallprofil bereits gelöst hatte und zu Boden gefallen war. Davon abgesehen verschiebt sich der Markisenstoff durch das Hängenbleiben, so dass er Falten wirft und sich beim Einfahren der Markise Wellen bilden.

  • Bild 1 von 4
    Der Abstand von der Außenkante der Kassettenmarkise bis zum Markisenstoff beträgt auf beiden Seiten zirka 127 Millimeter.
    © Hochmuth
    Der Abstand von der Außenkante der Kassettenmarkise bis zum Markisenstoff beträgt auf beiden Seiten zirka 127 Millimeter.
  • Bild 2 von 4
    Das Ausfallprofil bleibt am Zinkblech der Balkonverkleidung hängen. Sechs Millimeter beträgt der Überstand an dieser Stelle.
    © Hochmuth
    Das Ausfallprofil bleibt am Zinkblech der Balkonverkleidung hängen. Sechs Millimeter beträgt der Überstand an dieser Stelle.
  • Bild 3 von 4
    Die Abdeckkappe des Ausfallprofils hat sich bereits gelöst und ist zu Boden gefallen.
    © Hochmuth
    Die Abdeckkappe des Ausfallprofils hat sich bereits gelöst und ist zu Boden gefallen.
  • Bild 4 von 4
    Ansicht vom Wintergarten aus: Die Abdeckkappe fehlt.
    © Hochmuth
    Ansicht vom Wintergarten aus: Die Abdeckkappe fehlt.
Marc Hochmuth ist ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Mannheim für das Rollladen- und Jalousiebauerhandwerk.
© Hochmuth

Einschätzung

Marc Hochmuth ist ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Mannheim für das Rollladen- und Jalousiebauerhandwerk.

Eine gute Planung ist das A und O. Da die Markise bereits ohne Abzugsmaße für den Stoff schmaler ist als der Wintergarten, hätte das ausführende Unternehmen ahnen können, dass keine vollständige Verschattung gegeben ist. Der Einsatz eines Tools für die Schattensimulation hätte aus dem Verdacht eine Gewissheit gemacht. Dass die Markise beim Ein- und Ausfahren hängen bleibt, zeugt ebenfalls nicht von einer gewissenhaft ausgeführten Arbeit.