Rosenheimer Tür- und Tortage Die Zukunft der Branche ist grün

Die CO2-Bilanz von Bauprodukten spielt in Zukunft eine immer wichtigere Rolle. Was das für die Branche bedeutet, war zentrales Thema der diesjährigen Rosenheimer Tür- und Tortage. Weitere Themen: zweistufiger Montageprozess, Windlast-Nachweis, Einbruchhemmung 2.0.

Rosenheimer Tür- und Tortage 2022
Die Tür- und Tortage 2022 fanden mit zirka 200 Teilnehmern im Rosenheimer Kultur- und Kongresszentrum statt. - © Metzger

Türen und Tore im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Technik – unter dieser Überschrift standen die Rosenheimer Tür- und Tortage 2022. Worauf sich die Branche einzustellen hat, führte Prof. Jörn P. Lass, Leiter des gastgebenden ift Rosenheim, in seinem Eröffnungsvortrag aus. Zirka 200 Teilnehmer hörten ihm dabei zu. Mit Blick auf die Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität machte Lass deutlich, dass die singuläre Betrachtung von Kennwerten wie U-Wert, g-Wert oder Lichttransmission – die sich rein auf die Nutzungsphase eines Bauelements beziehen – nicht mehr zeitgemäß ist.

Gesamten Lebenszyklus betrachten

In Zukunft gelte es das Produkt über den gesamten Lebenszyklus hinweg hinsichtlich seines ökologischen Fußabdrucks zu bewerten – von der Rohstoffgewinnung über die Nutzung bis zum Lebensende, inklusive Recyclingpotenzial. Diese Betrachtung sollte laut Lass idealerweise in einen Einzahlwert als Kenngröße münden.

Geeignet sei der Gesamtbetrag an emittiertem Kohlenstoffdioxid, sprich: die CO2-Bilanz eines Produkts. „Als Kenngröße ist das ein Wert, der einfach kommunizierbar ist“, sagte der ift-Leiter.

Was Produkte künftig leisten müssen

In der Nutzungsphase wiederum sollten die Produkte nur niedrige Energieverluste verzeichnen. Wartungsarme Produkte, die für eine lange Lebensdauer zudem modular aufgebaut und einfach nachrüstbar sind, helfen ebenfalls dabei, Emissionen zu vermeiden.

„Klimaneutralität besteht, wenn die Treibhausgas-Emissionen, die durch das bilanzierte Objekt verursacht werden, gemessen, reduziert und ausgeglichen wurden.“

Prof. Jörn P. Lass
Prof. Jörn P. Lass ift-Leiter
ift-Institutsleiter Prof. Jörn P. Lass gab einen Überblick, worauf sich die Tür- und Torbranche in Zukunft einstellen muss. - © Metzger

Nach dem Lebensende komme es in der letzten Phase darauf an, dass die – idealerweise ohne den Einsatz von Verbundmaterialien hergestellten – Produkte sortenrein zerlegbar und recycelbar oder im besten Fall sogar wiederverwendbar sind. „Wenn wir das alles erfüllen können, haben wir es geschafft“, beschrieb Lass die anspruchsvolle Aufgabe der Branche.

Die anwesenden Hersteller ermutigte Lass, ihre Produkte mit Blick auf größtmögliche Nachhaltigkeit in allen Lebensphasen zu entwickeln. In der Herstellungsphase müsse es das Ziel sein, Produkte zu fertigen, die wenig Energie benötigen, geringe Emissionen verursachen und mit einem überschaubaren Ressourceneinsatz auskommen.

Einfach erklärt: Nachhaltigkeit von Produkten nachweisen

Wie Hersteller die Nachhaltigkeit ihrer Produkte nachweisen, darauf ging Christoph Seehauser vom ift Rosenheim in seinem Vortrag ein. Die Basis ist demnach die Lebenszyklusanalyse (Ökobilanz) nach ISO 14040 und ISO 14044, die wiederum die wesentliche Grundlage für die Erstellung einer Umweltproduktdeklaration (EPD) nach EN 15804 darstellt. Die jüngste Fassung der EPD-Norm verlangt, die Herstellungsphase, das Nachnutzungsstadium sowie das Recyclingpotenzial zu betrachten – optional sind das Bau- und das Nutzungsstadium.

Umweltwirkungen analysieren

Wie Seehauser ausführte, werden für jede untersuchte Lebensphase Daten zu den Stoff- und Energieströmen erhoben sowie die Auswirkungen auf die Umwelt analysiert. Mit Blick auf den Klimawandel sind die Treibhausgas-Emissionen als Bewertungsgröße relevant, die sich – umgerechnet in CO2-Äquivalente – in dem von Lass gewünschten Einzahlwert angeben lassen. Beispielsweise werden laut Seehauser – gemäß den Daten des ift EPD-Pools – während der Herstellungsphase von einem Quadratmeter Tor zwischen 60 und 275 Kilogramm an CO2-Äquivalenten als Treibhausgase ausgestoßen – abhängig vom Material.

Der Weg ist das Ziel: So werden Unternehmen klimaneutral

Andreas Flad KlimAktiv Consulting
Klimaneutral werden: Andreas Flad erläuterte, wie Unternehmen dieses Ziel erreichen und welche Schritte dafür notwendig sind. - © Metzger

Der Blick von Andreas Flad ging über das Produkt hinaus. Der Projektmanager von KlimAktiv Consulting stellte in seiner Präsentation vor, wie ein Unternehmen als Gesamtes klimaneutral wird. Im ersten Schritt gelte es für das Unternehmen eine CO2-Bilanz zu erstellen und die Emissionen zu quantifizieren. Flad empfahl, die Bilanz nach anerkannten Standards wie dem Greenhouse Gas (GHG) Protocol oder der DIN EN ISO 14064-1 zu erstellen.

Auf der Basis dieses Ergebnisses kann das Unternehmen dann eine Klimastrategie aufsetzen mit dem Ziel, klimaneutral zu werden. Was das eigentlich heißt, definierte Lass in seinem Eröffnungsvortrag so: „Klimaneutralität besteht, wenn die Treibhausgas-Emissionen, die durch das bilanzierte Objekt verursacht werden, gemessen, reduziert und ausgeglichen wurden.“

Zwei Ansätze: Emissionen senken oder CO2-Kompensation

Flad präzisierte, dass Unternehmen ihre Emissionen durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. die Hinzunahme von Ökostrom, aus eigener Kraft senken können. Auf der anderen Seite besteht auch die Möglichkeit, Emissionen durch Kompensation bilanziell auszugleichen, z.B. durch die Investition in Klimaschutzprojekte. Während der erste Weg mit hohem Aufwand verbunden sei, wies Flad beim zweiten Ansatz auf ein hohes Risiko bezüglich Kosten und Verfügbarkeit hin.

Einbau mittels Montagezarge

Joachim Oberrauch Finstral
Zahlreiche Vorteile: Joachim Oberrauch referierte über den Elementeeinbau mittels Montagezarge. - © Metzger

Auch im Themenblock Dauerbrenner und Bewährtes hallte das Thema Nachhaltigkeit nach, und zwar im Vortrag von Joachim Oberrauch. Der Präsident des Verwaltungsrats von Finstral referierte über den Einbau von Haus- und Außentüren mittels Montagezarge. Bei dem zweistufigen Montageprozess setzt das ausführende Unternehmen in der nassen Bauphase einen Montagerahmen (Zarge) ein, erst in der trockenen Bauphase erfolgt dann der Einbau des eigentlichen Bauelements.

Im Direktvertrieb seiner Premium-Fenster und -Türen arbeitet Finstral bei Neubauprojekten seit mittlerweile 50 Jahren auf diese Weise, wie Oberrauch ausführte. Das Unternehmen habe ein Zargensystem für verschiedene Einbausituationen entwickelt, bei dem die Schnittstelle zum Bauelement immer identisch sei. „Das vereinfacht die Planung enorm“, sagte Oberrauch.

Fachpartner in Deutschland erkennen Mehrwert

Als Vorteile der zweistufigen Montage nannte der Unternehmer insbesondere die Entflechtung des Bauablaufs, den Schutz des hochwertigen Bauelements und die perfekte Vorbereitung des Bauanschlusses für zukünftige Austauschmaßnahmen. Zudem sei diese Einbauweise nach Erfahrung von Finstral die kostengünstigere Methode, wenn man alle Faktoren in Betracht ziehe. Oberrauchs Fazit: „Bei uns in Südtirol kennt man auch die einstufige Montage. Aber niemand käme auf die Idee, ein Element so einzubauen.“

„Bei uns in Südtirol kennt man auch die einstufige Montage. Aber niemand käme auf die Idee, ein Element so einzubauen.“

Joachim Oberrauch

Und in Deutschland? Dort beobachtet Oberrauch bei seinen Fachpartnern eine steigende Akzeptanz der zweistufigen Montage, insbesondere wenn es um den weniger komplexen Türeinbau geht.

„Je mehr Baustellen die Partner ausführen, desto überzeugter sind sie von dieser Lösung und bieten den einstufigen Einbau eigentlich gar nicht mehr an“, sagte Oberrauch im exklusiven Videointerview, das Interessierte in der Mediengalerie unserer Schwesterzeitschrift auf www.gff-magazin.de finden. Interessant waren auch die Vorträge in den weiteren Themenblöcken. Im Block Prüfpraxis beispielsweise ging Prof. Benno Eierle von der TH Rosenheim der Frage nach, ob es sinnvoller sei, die Widerstandsfähigkeit von Türen und Toren gegen Windlast rechnerisch nachzuweisen oder auf dem Prüfstand.

Fokus Windlast: Prüfen oder doch lieber berechnen?

Eigentlich ist die Sache klar: Die Sicherheitsbeiwerte sind bei einer Produktprüfung (1,375) kleiner, also günstiger, als bei einer entsprechenden Berechnung nach Eurocode (1,65). „Mit der Prüfung kommt man immer besser weg. Statiker müssen eine höhere Sicherheit berücksichtigen“, sagte der Experte.

„Beim Windlast-Nachweis kommt man mit der Prüfung immer besser weg. Statiker müssen eine höhere Sicherheit berücksichtigen.“

Prof. Benno Eierle

Berechnungen haben nach seinen Angaben nichtsdestoweniger ihre Berechtigung. So werde beispielsweise kein Hersteller jede einzelne Größenvariante eines Tores prüfen lassen – dafür sind Herstellungs-, Transport- und Prüfkosten zu hoch. Mit einer Mischung aus Prüfung und Berechnung lasse sich jedoch mit verhältnismäßig geringem Aufwand eine Größenmatrix aufstellen. Das verdeutlichte Eierle an einem Praxisbeispiel.

Prof. Benno Eierle TH Rosenheim
Fokus Windlast: Prof. Benno Eierle erläuterte die Unterschiede zwischen Prüfung und Berechnung als Nachweisverfahren. - © Metzger

Die Mischung macht’s

Im vorliegenden Fall ließ der Torproduzent zwei Abmessungen eines Rolltores beispielhaft prüfen: 270 mal 260 Zentimeter (Klasse 4) und 270 mal 450 Zentimeter (Klasse 2). Auf Basis dieser Ergebnisse ließ sich durch Inter- und Extrapolation für jede beliebige Torbreite eine Klassifizierung vornehmen. Für geringere Höhen als 270 Zentimeter war es möglich, diese Ergebnisse zu übernehmen.

Für Abmessungen darüber hinaus erfolgte ein rechnerischer Nachweis – wobei sich das ungünstigere Sicherheitsniveau in der Klassifizierung bemerkbar machte. „Zwischen 20 und 40 Zentimeter an Torbreite hat der rechnerische Nachweis gekostet mit Blick auf die erreichten Klassen“, sagte Eierle. Maximilian Denkl vom ift Rosenheim führte das Thema fort, und zwar unter dem Aspekt, welche Erkenntnisse sich aus einer Prüfung gewinnen lassen.

Erkenntnisse aus Prüfungen nutzen

Nach seinen Angaben lassen sich durch eine Prüfung Wechselwirkungen zwischen den Bauteilen beurteilen, konstruktive Schwachstellen ermitteln, Zustände des Tores unter Lasteinwirkung analysieren, Verbundwerkstoffe unter realen Bedingungen bewerten und das Verhalten beim Versagen sichtbar machen. „Erkenntnisse aus der Prüfung können in die Weiterentwicklung des Produkts einfließen“, fasste Denkl zusammen, wie sich Prüfergebnisse vorteilhaft nutzen lassen.

Einbruchhemmung: Und was ist mit Zutrittskontrollsystemen?

Im Themenblock Sicherheit ging Robert Krippahl vom ift Rosenheim auf Details zur überarbeiteten Einbruchnorm EN 1627 ein. Neu ist u.a., dass die Norm in der jüngsten Fassung den Einsatz elektromechanischer Beschläge nach EN 14846, EN 15684 und EN 16867 berücksichtigt. Allerdings: Anforderungen an Zutrittskontrollsysteme zur Steuerung solcher Beschläge sind in der Norm ebenso wenig beschrieben wie Anforderungen an die Kabelführung zur Signalübertragung. Hierzu konnte den Angaben zufolge auf europäischer Ebene kein Konsens erzielt werden.

Als Zwischenlösung haben Prüfstellen aus der DACH-Region die Richtlinie Bauelemente mit mechatronischen Bauteilen erarbeitet, um entsprechende Systeme bewerten zu können. „Die Kombination von EN 1627 und der Richtlinie ist vorerst die einzige Möglichkeit für einen umfassenden Nachweis der Einbruchhemmung“, sagte Konrad Querengässer vom ift Rosenheim, der das Thema in einem eigenen Vortrag vertiefte.

Tore: Überarbeitung der DIN/TS 18194

Tore fallen seit 2011 nicht mehr in den Anwendungsbereich der EN 1627, so dass Hersteller zur Prüfung ihrer Elemente bis vor Kurzem auf die DIN V ENV 1627 aus dem Jahr 1999 zurückgreifen mussten.

Im Juli 2020 wurde in Deutschland mit der DIN/TS 18194 ein neues Regelwerk zur Klassifizierung der Einbruchhemmung von Toren veröffentlicht. Nach zwei Jahren steht nun turnusmäßig die Überarbeitung dieser Technischen Spezifikation an. Hierbei gilt es u.a. zu klären, ob und auf welche Weise ein Abgleich mit der überarbeiteten Einbruchnorm EN 1627 erfolgen soll.

Marktanalyse von Martin Langen

Rückgang der Wirtschaft führt zu Normalisierung der Situation

Martin Langen B+L Marktdaten
Keine Panik: Marktanalyst Martin Langen sieht die Baubranche insgesamt glimpflich durch die aktuelle Situation kommen. - © Metzger

Materialengpässen und Preisexplosionen zum Trotz – die Baubranche insgesamt wird glimpflich durch die aktuelle Zeit kommen. Das sagte Marktanalyst Martin Langen von B+L Marktdaten in seinem Vortrag auf den Rosenheimer Tür- und Tortagen. Wobei er einräumte, dass es durch eine steigende Anzahl von Insolvenzen bei Unternehmen am Ende der Lieferkette durchaus zu gewissen Verwerfungen im Markt kommen werde.

Immerhin ist ein Ende der aktuellen Situation absehbar ist. „Durch die steigenden Preise und die Materialknappheit geht im Jahr 2023 in vielen Ländern weltweit die Wirtschaftsleistung zurück. Das wiederum führt zu einer Normalisierung der wirtschaftlichen Lage: Die Rohstoffnachfrage sinkt, die Transport- und Logistikengpässe lösen sich auf und die Preise pendeln sich wieder ein“, erläuterte Langen die Zusammenhänge. In der Mitte des laufenden Jahres ist nach seinen Angaben der Höhepunkt der Engpässe erreicht.

Energetische Sanierung im Fokus

Mit Blick auf den Baumarkt geht Langen davon aus, dass durch Änderungen des Ordnungs- und Förderrechts die Nachfrage im Bereich der energetischen Sanierung künftig deutlich steigen wird. Das fordere gerade auch von den Herstellerunternehmen neue Ansätze: „Überlegen Sie, wie Sie bei Ihren Kunden Arbeitsschritte industrialisieren können“, betonte Langen. Das Ziel müsse es sein, die Produktivität der Verarbeiterbetriebe zu erhöhen.

Verfechter von Montagezargen wird das freuen. Joachim Oberrauch hatte in seinem Vortrag zum Thema darauf hingewiesen, dass auf diese Weise der Fenster- oder Türentausch mit geringem Montageaufwand erfolgen könne.