Schadensfall 1-2/24 Hoch gepokert, nichts gewonnen

Laut dem Verpächter einer Gaststätte hatte die montierte Großflächenbeschattung seinerzeit 96.000 DM gekostet. Für entstandene Schäden sollte der Pächter dem Eigentümer nun den aktuellen Zeitwert der Markise zahlen, 25.000 bis 35.000 Euro nach dessen Schätzung. Ist die Höhe der Forderung berechtigt? Klärung brachte der Gang vor Gericht.

Der notdürftig reparierte Riss befindet sich am Anfang des Markisentuches und ist 380 Millimeter lang.
Der notdürftig reparierte Riss befindet sich am Anfang des Markisentuches und ist 380 Millimeter lang. - © Hochmuth

Über die Jahre hinweg hat das Tuch der an einer Gaststätte angebrachten Großflächenbeschattung, bestehend aus vier in Schienen geführten Markisen, sichtlich gelitten. Mit Beendigung des aktuellen Pachtverhältnisses wollte der Eigentümer der Immobilie die Anlage mit einem Tuchtausch wieder aufwerten.

Zahlen sollte der scheidende Pächter. Zum einen die Kosten für den zu beauftragenden Fachbetrieb, zum anderen den auf 25.000 bis 35.000 Euro geschätzten aktuellen Zeitwert der Markise – diesen gewissermaßen als Schadenersatz, schließlich habe der Gaststättenbetreiber den schlechten Zustand des Tuches, insbesondere einen Riss, zu verantworten. Der Pächter sah das nicht ein. Die Beschädigungen seien altersbedingt, außerdem sei die Anlage viel zu alt, als dass sie noch einen wesentlichen Wert haben könnte. Der Fall landete vor Gericht. Der hinzugezogene Sachverständige sollte klären, welchen Zeitwert die Markise noch hat und wie die Schäden am Tuch entstanden sind.

Wie ist der Zustand der Markise?

Beim Vor-Ort-Termin stellte der Sachverständige fest, dass die Markise problemlos nach innen und außen läuft – die Endlagen wurden angefahren. Der Zustand des Markisenstoffs war weniger gut: Am Anfang des Markisentuches stellte der Sachverständige einen 380 Millimeter langen Riss fest, der mit Panzer-Tape und Klebeband zu reparieren versucht wurde.

Ein weiterer Riss, 190 Millimeter lang und 150 Millimeter breit, entstand nach Angaben des Eigentümers selbstverschuldet bei Arbeiten am Balkon oberhalb der Markisenanlage. Aus der Fleckenbildung auf dem Markisenstoff schloss der Sachverständige, dass das Acryltuch die gesamte Nutzungszeit über ausgefahren war: Im Bereich, wo bauseitig ein Schutzdach angebracht ist, waren keine Flecken erkennbar. Direkt im Anschluss daran, zirka 800 Millimeter von der Hauswand entfernt, war das Tuch vollflächig verschmutzt.

Ermittlung des aktuellen Zeitwerts

Was bedeutet das für den Wert der Markise? Laut der Zeitwerttabelle des Bundesverbands Rollladen und Sonnenschutz (BVRS) liegt die Lebensdauer einer Markise bei zwölf Jahren. Die verbaute Großflächenmarkise wurde dem Eigentümer zufolge im Jahr 1998 montiert und war somit zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits 24 Jahre alt.

Unter Berücksichtigung des schlechten Zustands der Markise ermittelte der Sachverständige gemäß Tabelle einen aktuellen Zeitwert von: null Euro. Dass der vom Verpächter angesetzte Zeitwert in einer Größenordnung zwischen 25.000 und 35.000 Euro übertrieben hoch war, machte auch die Nachfrage des Sachverständigen beim Hersteller der Großflächenbeschattung deutlich. Laut dessen Geschäftsführer kosteten alle vier Markisenanlagen seinerzeit zirka 42.000 DM – nicht etwa 96.000 DM, wie es der Eigentümer der Gaststätte – ohne einen Nachweis dafür vorzulegen – angegeben hatte.

Lösung

Im Ergebnis konnte der Eigentümer den Pächter finanziell nicht in Anspruch nehmen, um Maßnahmen zur Wertsteigerung der in die Jahre gekommenen Großflächenmarkise umzusetzen. Hinsichtlich der Entstehung des streitgegenständlichen Risses hielt der Sachverständige in seinem Gutachten fest, dass es aufgrund des Alters der Markise zu Rissen im Stoff kommen kann. Nicht förderlich sei gewesen, dass die Markise die gesamte Zeit ausgefahren war, wodurch der Stoff porös geworden ist.

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    Mit Panzer-Tape und Klebeband wurde dieser Riss zu reparieren versucht.
    © Hochmuth
    Mit Panzer-Tape und Klebeband wurde dieser Riss zu reparieren versucht.
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    Ein weiterer Riss war dem Eigentümer zufolge selbstverschuldet bei Arbeiten am Balkon oberhalb der Markisenanlage entstanden.
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    Ein weiterer Riss war dem Eigentümer zufolge selbstverschuldet bei Arbeiten am Balkon oberhalb der Markisenanlage entstanden.
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    Links ist das Tuch vollflächig verschmutzt – rechts, wo bauseitig ein Schutzdach angebracht ist, sind keine Flecken erkennbar. Das deutet darauf hin, dass die Markise die gesamte Zeit über ausgefahren war.
    © Hochmuth
    Links ist das Tuch vollflächig verschmutzt – rechts, wo bauseitig ein Schutzdach angebracht ist, sind keine Flecken erkennbar. Das deutet darauf hin, dass die Markise die gesamte Zeit über ausgefahren war.
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    Das Schutzdach, das die Markise teilweise überdeckt, besteht aus beschichtetem Stahl und kragt 750 Millimeter aus. Die Flecken auf dem Markisentuch beginnen direkt im Anschluss daran, zirka 800 Millimeter von der Hauswand entfernt.
    © Hochmuth
    Das Schutzdach, das die Markise teilweise überdeckt, besteht aus beschichtetem Stahl und kragt 750 Millimeter aus. Die Flecken auf dem Markisentuch beginnen direkt im Anschluss daran, zirka 800 Millimeter von der Hauswand entfernt.
Marc Hochmuth ist ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Mannheim für das Rollladen- und Jalousiebauerhandwerk.
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Einschätzung

Marc Hochmuth ist ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Mannheim für das Rollladen- und Jalousiebauerhandwerk und Mitglied im Arbeitskreis der Sachverständigen beim Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz (BVRS).

Man wird den Eindruck nicht los, dass der Eigentümer auf Kosten des Pächters bauliche Maßnahmen an seiner Immobilie finanzieren wollte.