2023 war Angelique Renkhoff-Mücke seit 25 Jahren Vorstandsmitglied bei Warema. Wir sprachen mit ihr über die Maxime guter Unternehmensführung. Vorstand Christian Steinberg erläuterte uns die Entwicklung der Service- und Schulungsangebote sowie die Neuheiten auf der R+T.
siso: Frau Renkhoff-Mücke, 2023 gehörten Sie 25 Jahre dem Vorstand an. In der Zeit ist viel passiert, das Unternehmen ist stark gewachsen. Heute hat die Firmengruppe einen Umsatz von zirka 750 Millionen Euro und zirka 5.300 Beschäftigte. Wie bewerten Sie die Entwicklung insgesamt, auch mit Blick auf das Jahr 2023, das von internationalen Krisen geprägt war?
Angelique Renkhoff-Mücke: Grundsätzlich kann man sagen, dass die Warema Group in den vergangenen Jahrzehnten enorm gewachsen ist. Sie hat sich weiterentwickelt von einem klassischen Sonnenschutzhersteller zu einem internationalen Sonnenlichtmanager, so wie wir das bezeichnen.
2023 haben wir vier Jahre in Folge Krisensituationen, angefangen von Corona über die Energiekrise und die Ukraine. Jetzt gibt es eine Konjunkturkrise infolge all dieser Verwerfungen. 2023 war natürlich davon geprägt, sich auf diese Situation einzustellen mit weniger Wachstum und einer rückläufigen Konjunktur. Insofern war 2023 ein anstrengendes Jahr für uns, aber alles in allem ein Jahr, auf das wir auch wieder zufrieden zurückschauen. Weil wir glauben, dass wir uns wirklich gut aufgestellt haben.
siso: Kurzum, Sie sind gerüstet für die Dinge, die da kommen.
Renkhoff-Mücke: Richtig.
siso: Können Sie das vielleicht an ein, zwei Beispielen verdeutlichen?
Renkhoff-Mücke: Wir haben 2023 genutzt, um unsere Strukturen und Prozesse zu stabilisieren, um Rationalisierungsmaßnahmen umzusetzen und das gesamte Unternehmen lean aufzustellen. Das möchten wir auch in den nächsten ein bis zwei Jahren konsequent fortsetzen.
siso: Wie hat sich der Umsatz von Warema im Jahr 2023 entwickelt? Konnten Sie den Umsatz von 750 Millionen Euro im Jahr 2022 weiter steigern?
Renkhoff-Mücke: Umsatzseitig werden wir das Geschäftsjahr 2023 aller Voraussicht nach in einer ähnlichen Größenordnung abschließen wie das Vorjahr. Zu berücksichtigen ist dabei, dass wir im vergangenen Jahr verschiedene Maßnahmen zur Konsolidierung ergriffen haben.
Wir haben den innen liegenden Sonnenschutz als Produktbereich eingestellt und uns durch ein Management-Buy-out von unserer Gesellschaft in China getrennt. Dennoch konnten wir den Umsatz halten – es war unterm Strich ein stabiles Jahr.
"Umsatzseitig werden wir das Geschäftsjahr 2023 aller Voraussicht nach in einer ähnlichen Größenordnung abschließen wie das Vorjahr."
Angelique Renkhoff-Mücke, CEO Warema Renkhoff SE
siso: Herr Steinberg, in konjunkturell schwierigen Zeiten ist man als Unternehmen besonders auf die Treue seiner Fachpartner angewiesen. Warema bietet vielfältige Leistungen über das reine Produkt hinaus, um Händler zu gewinnen und zu binden. Dazu gehört die im vergangenen Jahr eröffnete Sun Academy. Was ist das Konzept dahinter?
Christian Steinberg: Die Sun Academy in Wertheim ist das Schulungszentrum für unsere Fachpartner. Das Besondere ist, dass ihnen hier eine realitätsnahe Arbeitsumgebung für die Montage, aber auch für das Erleben der Produkte zur Verfügung steht.
An den einzelnen Modulen können sie Hand anlegen, Produkte verbauen und einstellen sowie Lösungen kreieren. Das ist ein Riesen-Benefit und wird sehr gut angenommen – die angestrebte Besucherquote haben wir erreicht.
Ebenso gut ist die Resonanz auf unsere digitalen Angebote mit beispielsweise Videos und Online-Seminaren. Allein im vergangenen Jahr hatten wir Videoabrufe im hohen vierstelligen Bereich und an die tausend Webinar-Teilnehmer.
siso: Als wie hoch sehen Sie den Schulungsbedarf in der Branche an?
Steinberg: Die Vielzahl von Besuchern, die sich informieren und beraten lassen, zeigt, dass die Eröffnung der Sun Academy der rechte Schritt zur rechten Zeit war. Mittelfristig wird der Fachkräftemangel das beherrschende Thema in der Branche sein. Mit der Sun Academy sind wir angetreten, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Wir möchten die Mitarbeiter unserer Fachhändler so ausbilden, dass sie effizienter, kosteneffektiver und wirksamer zum Geschäftserfolg beitragen können.
Sie sollen mehr Arbeit in weniger Zeit erledigen können, so dass zukünftig mehr Aufträge angenommen und abgewickelt werden.
siso: Frau Renkhoff-Mücke, vor Weihnachten bekam Warema den Architects’ Darling Award für zwei Produkte, 2022 und 2023 erhielt das Unternehmen Auszeichnungen als Service Champion. Alles Zeichen dafür, dass man gut unterwegs ist. Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen herausfordernd wie lange nicht. Es ist nicht abzusehen, ob und wann der Zustand vor Beginn der Pandemie zurückkommt. Stabile Rahmenbedingungen sind nicht in Sicht. Wie gehen Sie damit um?
Renkhoff-Mücke: Also Fakt ist, dass von den Unternehmen ganz generell mehr Resilienz abgefordert wird. Resilienz ist auch das, was mich schon viele Jahre angetrieben hat.
Auf der einen Seite nach vorne zu schauen, zukunftsorientiert neue Themen anzugehen und umzusetzen. Das war bei uns immer die Technologie, die Innovation sowie die digitale Transformation. Diese wichtigen Treiber haben wir immer weiterentwickelt.
Auf der anderen Seite arbeiten wir mit verschiedenen Szenarien, die uns auch bei unerwarteten Veränderungen schnell Handlungsoptionen ermöglichen. Risikomanagement und Risikoabwehr spielen in der heutigen Zeit eine wichtige Rolle.
siso: Seit einiger Zeit gibt es die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle (RTG) in Berlin, die von Warema unterstützt wird. Frau Renkhoff-Mücke, im Herbst waren sie für Warema selbst vor Ort bei einem Treffen von Branchenvertretern und Bundestagsabgeordneten. Sie sind, wie erwähnt, seit 25 Jahren im Vorstand tätig. Hat sich in der Zeit das Verhältnis von Wirtschaft, hier speziell der mittelständischen Wirtschaft, und der Bundespolitik verändert? Früher wurde ja auch Lobbyarbeit gemacht, nicht erst seit Gründung der RTG.
Renkhoff-Mücke: Das ist richtig. Es gibt schon länger den Austausch mit der Politik. Aber ich habe vor einigen Jahren festgestellt, dass Sonnenschutz in der Politik, gerade vor dem Hintergrund des Themas Energieeffizienz, nahezu keine Rolle gespielt hat. Viele Politiker konnten damit überhaupt nichts anfangen und hatten gar keine Informationen zu dem Thema.
Das war für mich eine wichtige Erkenntnis. Damit ist das Bewusstsein gereift, dass wir da unbedingt als Branche mehr machen müssen.
siso: Herr Steinberg, Warema betreibt seit wenigen Jahren das Sun Forum sowie mehrere sogenannte Sun Center als Ausstellungsräume für den Endkunden. Wie ist der Zuspruch? Merken Sie, dass die Zeiten aktuell schwieriger geworden sind?
Steinberg: Lassen Sie uns das Sun Forum in Wertheim als Beispiel nehmen. Der Endkunde kann hier in emotionaler, realitätsnaher Umgebung unsere Produkte anfassen, erleben und verstehen. Trotz Krise und vermeintlich eingeschränkter Kaufkraft ist das Interesse an Sonnenschutz hier relativ groß.
Die Besucherzahl hat sich im vergangenen Jahr noch mal erhöht und wir konnten entsprechend mehr individuelle Beratungen vornehmen und damit unseren Fachpartnern mehr vorqualifizierte Endkundenkontakte zuspielen.
siso: Wie sieht es standortübergreifend aus?
Steinberg: Der Zuspruch ist sehr groß. Zirka 20.000 Endkunden haben im vergangenen Jahr unsere verschiedenen Showrooms besucht. Neben den Ausstellungen in Wertheim, Stuttgart, Berlin, München, Hamburg und Düsseldorf sind wir auch im angrenzenden Ausland vertreten: in Weert in den Niederlanden, in Luzern in der Schweiz sowie in Paris in Frankreich.
"Zirka 20.000 Endkunden haben im vergangenen Jahr unsere verschiedenen Showrooms besucht."
Christian Steinberg, Vorstand Global Market, Warema Renkhoff SE
In Salzburg nahe dem Europark werden wir dieses Jahr einen weiteren Standort eröffnen. Auch dort versprechen wir uns großen Zulauf.
siso: Wie profitieren die Fachpartner von dieser Form der Endkunden-Ansprache?
Steinberg: Wir beraten den Endkunden und generieren auf diese Weise qualifizierte Leads für unsere Fachhändler: Über den digitalen Kaufberater oder die Fachhändlersuche erhalten sie die Kundenanfrage, die sie dann weiterbearbeiten. Im Grunde leisten wir also zwei Dinge: Der Endkunde hat eine Anlaufstelle und kann die Produkte erleben. Zum anderen generieren wir Nachfragen für unsere Kunden. Gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten kommt dieses Konzept voll zur Geltung.
siso: Die Wertschöpfungskette endet längst nicht mehr bei der Auslieferung von Produkten. Warema unterstützt seine Fachpartner mit umfassenden Serviceleistungen dabei, ihren Kunden Rundum-sorglos-Pakete anbieten zu können. Für die Qualität dieser Leistungen hat das Unternehmen kürzlich zum zweiten Mal in Folge das Gütesiegel Service Champion erhalten. Welchen Anspruch verfolgen Sie in diesem Bereich?
Steinberg: Wir übernehmen Verantwortung für unser Produkt von der Einführung bis zum Lebensende. Dieser von uns so genannte Lifecycle Service dürfte branchenweit einzigartig sein und entspringt der Überzeugung, dass man sich in unserer Branche dadurch abheben kann, dass man nicht nur Produkte mit hohem Qualitätsstandard im Markt platziert, sondern diese auch über den gesamten Lebenszyklus begleitet – gleichbedeutend damit, dass man im Fall der Fälle Probleme behebt.
Das trägt zur Kundenzufriedenheit bei und wirkt sich durch die so sichergestellte längere Produktnutzungsdauer auch positiv auf die Nachhaltigkeit aus.
siso: Welche Serviceleistungen bietet Warema an, die Fachhändler als Verkaufsargumente im Kundengespräch nutzen können?
Steinberg: Die gesetzliche Gewährleistungsfrist fürs Endkundengeschäft beträgt zwei Jahre. Wir sind von der Qualität unserer Produkte überzeugt und gewähren bei unseren Outdoor-Living-Produkten auf Wunsch eine erweiterte Herstellergarantie von fünf Jahren. Dafür ist lediglich eine Registrierung erforderlich. Bei den Endverbrauchern kommt das gut an: 70 bis 80 Prozent unserer Markisen werden mit dieser Garantie im Markt platziert.
Darüber hinaus können Endkunden für Outdoor-Living-Produkte unser Zehn-Jahre-Schutzpaket erwerben, das langfristige Funktionssicherheit garantiert und Wartung, Pflege sowie Reparaturleistungen beinhaltet.
siso: Wer führt die Reparatur- und Wartungsarbeiten beim Endkunden aus?
Steinberg: Wir verfügen als einziges Unternehmen in der Branche über ein flächendeckendes Netzwerk von kompetenten und qualifizierten Servicetechnikern, welche Wartungs- und Reparaturarbeiten ausführen können. Was mir dabei wichtig zu erwähnen ist: Wir treten nicht in Konkurrenz mit unseren Fachpartnern, sondern unterstützen diese lediglich, wenn sie selbst den Serviceauftrag nicht übernehmen möchten. Dabei versuchen wir Probleme innerhalb von 20 Kalendertagen zu beheben – diese Messlatte haben wir uns gesetzt.
Auch unsere Fachpartner sollen Reparaturaufträge schnell abwickeln können. Unser Online-Ersatzteile-Shop garantiert daher den Same-Day-Versand von mehr als 10.000 Artikeln, die wir ständig auf Lager halten. Dadurch sind wir unglaublich schnell in der Ersatzteilversorgung.
"Wir treten nicht in Konkurrenz mit unseren Fachpartnern, sondern unterstützen diese lediglich, wenn sie selbst den Serviceauftrag nicht übernehmen möchten."
Christian Steinberg, Vorstand Global Market, Warema Renkhoff SE
siso: Frau Renkhoff-Mücke, die Firmengruppe hat 2023 erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Einerseits wird es erwartet, sei es von Kunden und Geschäftspartnern, sei es von Geldgebern. Andererseits gilt die Berichtspflicht als zeitintensiv, sprich aufwändig. Manche Stimmen unterstellen, man könne künftig Unternehmen die eigenen Zahlen negativ auslegen, etwa wenn es um das Erreichen bzw. Nicht-Erreichen bestimmter Zielmarken in den einzelnen Sektoren geht. Wie stehen Sie zum Thema Nachhaltigkeit und Berichtspflicht?
Renkhoff-Mücke: Nachhaltigkeit ist mit Sicherheit ein Thema, was Licht- und Schattenseiten hat. Die Berichterstattung ist tatsächlich aufwändig. Auf der anderen Seite ist es ein ganz wichtiges Thema für unsere Zukunft. Warema ist als Familienunternehmen schon seit Jahren Vorreiter bei der Nachhaltigkeit. Durch den Fokus auf CO2 hat sich das Ganze noch mal verändert und man muss sich jetzt wesentlich intensiver mit diesen Themen auseinandersetzen. Es bedarf Ressourcen und am Ende auch Investitionen.
Unser Ziel ist, einen Beitrag zu leisten in Richtung Verringerung der Erderwärmung. Das kann jeder zu einem gewissen Prozentsatz. Man muss es aber strukturiert angehen.
siso: Damit meinen Sie das Erstellen der Emissionsbilanzen in der Sektoren Scope 1 bis 3?
Renkhoff-Mücke: Ja. Wir haben frühzeitig angefangen, unseren CO2-Footprint zu erstellen und eine Ist-Situation ermittelt. Dann haben wir uns der Science-Based-Target-Initiative (SBTI) angeschlossen. Wir wollen langfristig denken. Es geht nicht darum, einfach CO2-Emissionen zu kompensieren, sondern wir wollen sukzessive besser werden. Es gibt Investitionen in erneuerbare Energien und Abfallvermeidung, für weniger Wärmeverluste in der Produktion und so weiter. Die Berichterstattung ist noch mal eine besondere Dimension.
siso: Das heißt?
Renkhoff-Mücke: Grundsätzlich ist der Ansatz okay. Nur wenn man gewisse Vorgaben hat, ist es vergleichbar und messbar. Das ist auch wichtig, damit sich die Unternehmen hinterher auf gleicher Höhe in die Augen schauen können. Es sind aber wie bei vielen Verwaltungsakten Bürokratiemonster aufgebaut worden, die das Ganze mühsam machen.
siso: Zahlreiche Unternehmen setzen sich das Ziel, bis 2030 CO2-neutral zu werden. Warema hat sich ebenfalls ehrgeizige Ziele gesetzt und möchte den CO2-Fußabdruck bis 2030 deutlich verringern. Von Klimaneutralität ist nicht die Rede. Warum?
Renkhoff-Mücke: Im Grunde ist es eine Frage der Definition. Sicher ist es möglich, im Scope 1 CO2-neutral zu werden – darunter fallen schließlich nur die Emissionen, die innerhalb des eigenen Unternehmens entstehen. Ganzheitlich betrachtet ist es aus meiner Sicht für ein Industrieunternehmen aktuell allerdings nicht möglich, ohne Kompensation CO2-neutral zu werden. Die verwendeten Rohstoffe müssen abgebaut und transportiert werden und sind bei der Herstellung energieintensiv. Deren CO2-Bilanz wird durch den Einsatz regenerativer Energie zwar zunehmend besser, aber von CO2-Neutralität kann keine Rede sein.
Insofern halte ich es für den richtigeren Weg, CO2-Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren, anstatt nur dem Schein nach als klimaneutrales Unternehmen zu gelten.
"Ganzheitlich betrachtet ist es aus meiner Sicht für ein Industrieunternehmen aktuell allerdings nicht möglich, ohne Kompensation CO2-neutral zu werden."
Angelique Renkhoff-Mücke, CEO Warema Renkhoff SE
siso: Traditionell wird den Konzernen der Auto- und Chemieindustrie sowie der Energiewirtschaft nachgesagt, sie seien in der Bundespolitik gut vernetzt. Sie vertreten den Mittelstand, der wie Warema meist inhabergeführt ist. Wird der Mittelstand und dessen Perspektive heute besser wahrgenommen als früher? Haben Sie da eine Veränderung festgestellt?
Renkhoff-Mücke: Die großen Player haben nach wie vor sehr guten Zugang zu den Entscheidern und nutzen diesen Zugang. Gleichzeitig kostet es Zeit und Energie, um sich beispielsweise in verschiedenen Verbänden einzubringen. Das scheut der Mittelstand zum Teil, weil er vielleicht auch gar nicht die Ressourcen hat. Umso wichtiger finde ich es, dass es vor allem Familienunternehmen gibt, die sich hier engagieren, ihre Stimme einbringen und dann auch Gehör finden.
siso: Herr Steinberg, im Jahr 2024 ist Warema auf zahlreichen Branchenmessen präsent, auch auf der R+T in Stuttgart. Daraus darf man wohl schließen, dass Messen für das Unternehmen nach wie vor eine wichtige Plattform sind, um Produkte vorzustellen und sich mit der Branche auszutauschen.
Steinberg: Während der Corona-Zeit wurde viel spekuliert, dass Messen durch digitale Medien ersetzt werden könnten, weil die Informationsübermittlung einfacher und effizienter sei. Wir haben eine andere Meinung.
Messen sind für uns ein wesentlicher Bestandteil in der Marktbearbeitung und wir freuen uns genauso wie unsere Kunden auf den persönlichen Austausch bei den anstehenden Veranstaltungen. Denn man kann digital zwar sehr viel Wissen transportieren, aber in unserer Branche kommt es doch stark auf den zwischenmenschlichen Kontakt an. Außerdem braucht der Handwerker die haptische Erfahrung.
siso: Welches Produkt gehört zu den Highlights, das Sie auf der R+T präsentieren?
Steinberg: Unser Secukit als Lösung für den zweiten Rettungsweg steht nun auch für Raffstores und damit für die gesamte Palette unserer Fassadenprodukte zur Verfügung. Generell handelt es sich bei Secukit um eine manuelle Zusatzbedienung für motorbetriebene Sicht- und Sonnenschutzprodukte.
Die Raffstore-Lösung, die auch für den R+T-Innovationspreis nominiert ist, funktioniert einfach und intuitiv. Im Notfall hebt der Nutzer die Außenjalousie einfach händisch an. Das wird sicher ein Hingucker auf der Messe.
siso: Was haben Sie noch an Neuheiten im Gepäck?
Steinberg: Wir haben einiges zu bieten. Mit unserer Solarantriebslösung, dem Solarkit, lässt sich Sonnenschutz ohne aufwändige Verkabelung motorisieren. Für Gastronomen und anspruchsvolle Endkunden präsentieren wir ein flexibles, freistehendes Gestell für Terrassen- und Pergolamarkisen. Die neue Kassettenmarkise Terrea K55 verbindet in ihrer Formensprache kubische und runde Designelemente.
Bei unseren Smart Building Solutions steht der KNX Converter WMS im Fokus, der das KNX-Netzwerk mit unserem Funksystem WMS verknüpft. Außerdem zeigen wir den digitalen Kaufberater für unsere Window-Systems-Lösungen.
siso: Lassen Sie uns beim Thema Digitalisierung bleiben. Wie digital ist Warema aufgestellt, wenn es um die Geschäftsprozesse hin zum Fachhändler geht?
Steinberg: Unsere Schnittstelle zum Fachhändler ist die Plattform My-Warema. Im vergangenen Jahr haben wir diese umfassend überarbeitet und erweitert, so dass wir den Fachhandwerker nun von seinem Erstkontakt mit dem Endkunden bis zum After-Sales-Service begleiten können. Der Fachhändler verbessert auf diese Weise seine Prozesse, wird schlanker und schneller. Das zahlt auf seine Kompetenz ein.
Auch andere Zielgruppen beziehen wir bei der Digitalisierung ein. Dank einer Schnittstelle zwischen My-Warema und den ERP-Systemen von Klaes oder 3E kann beispielsweise ein Fensterbauer den Sonnenschutz in seiner gewohnten Arbeitsumgebung konfigurieren und anbieten. Auch hier geht es uns um Arbeitserleichterung und Effizienzgewinne für unsere Kunden.
siso: Bestellt heutzutage überhaupt noch jemand auf Papier?
Steinberg: Ja, das kommt auf jeden Fall noch vor. Der Großteil der Bestellungen erfolgt zwar über My-Warema, aber in unserem Gewerk braucht es häufig Skizzen, die dann in Einzelfällen noch handgeschrieben bei uns eintreffen. Solche Bestellungen nehmen wir natürlich auch an.
Grundsätzlich versuchen wir aber Bestellungen über die digitale Bestellplattform zu forcieren – was für den Fachhändler auch Vorteile bringt. Er spart sich Arbeit, zudem werden die Eingaben so abgefragt, dass die Datenqualität hoch ist und es zu keinen fehlerhaften Bestellungen kommt. Das ist ein großer Mehrwert.
siso: Rein technisch gesehen lässt sich vieles digitalisieren. Aber ist es auch immer wünschenswert? Endkunden beispielsweise wissen es in der Regel sehr zu schätzen, wenn der Fachhandwerker im Falle eines Falles eine Handskizze erstellt, wie die geplante Sonnenschutzlösung aussehen könnte. Das händische Skizzieren gilt als Ausdruck für die Kompetenz des Fachmanns. Muss man diesen Punkt künftig stärker berücksichtigen, wenn es um Fragen der Digitalisierung geht?
Steinberg: Das eine schließt das andere nicht aus. Sicherlich ist es beeindruckend, wenn der Endverbraucher vor Ort schnell einen Eindruck bekommt, wie die Lösung aussehen könnte. Ob es dann als Bestellung geeignet ist, gerade bei Produkten bzw. bei einem Raster, das kann ich mir nur schwer vorstellen. Da braucht man die genauen Einzelmaße. Da würde ich mich auf den digitalen Weg verlassen. Was in dem Zusammenhang sehr kompetent wirken kann, ist das Einfügen eines vor Ort gemachten Fotos vom Einbauort in unser Onlinetool, dem Warema Konfigurator.
Damit sieht der Endverbraucher sofort im Netz, wie die Lösung von Warema oder des Fachhändlers an seiner eigenen Fassade wirkt. Als Endverbraucher erwarte ich vielleicht kurz eine kleine Skizze. Im nächsten Schritt muss es dann ein digitalisiertes Angebot sein, wo ich mir das Ganze professionell anschauen kann. Also insofern dient die Skizze als Idee, aber dann erwarte ich im nächsten Schritt die Digitalisierung.
siso: Wo liegt eigentlich die Grenze der Digitalisierung? Oder gibt es die gar nicht?
Steinberg: Also zu Ende gedacht ist es nie. Dafür ist die Branche zu speziell. Wir werden immer wieder nach Möglichkeiten suchen, die das Zusammenarbeiten noch digitaler gestalten.
siso: Was könnte das beispielsweise sein?
Steinberg: Ich denke an die digitale Bauabwicklung, etwa ein digitales Aufmaß. Aktuell gibt es noch nichts, was wir unseren Kunden versprechen können. Aber wir beschäftigen uns damit, was das digitale Aufmaß und die digitale Bauabwicklung im Projektgeschäft für uns und unsere Partner bedeuten kann.
Generell haben wir am Bau die Situation, dass es unglaublich viele Beteiligte gibt. Fachplaner, Architekten, Bauträger, Fachhandwerker. Alles in allem gibt es viele Schnittstellen. Hier muss man gucken, wie man sich am Bau über digitale Lösungen in ein System einbettet, so dass es für den Bauherren oder den Bauträger einfacher wird bei der Koordination aller Gewerke oder Beteiligten.
siso: Welche weiteren digitalen Tools haben Sie im Angebot?
Steinberg: Auf unserer Website trifft der Nutzer auf unseren Chatbot Sunny. Mithilfe künstlicher Intelligenz liefern wir dem Endkunden schnell und kompetent Antworten auf seine Fragen. Aufgrund der sehr positiven Resonanz weiten wir das Konzept aktuell auch auf unsere Fachkunden aus. Des Weiteren stellen wir unsere klassischen Beratungstools zur Verfügung, mit denen wir dem Endverbraucher Hilfestellung bieten und gleichzeitig Nachfrage generieren.
Unsere Designer-AR-App beispielsweise ermöglicht es, die Wunschmarkise via Augmented Reality virtuell an der eigenen Fassade darstellen zu lassen und auch die Wirkung von Licht und Schatten zu beurteilen. Unsere Fachhändler können die digitalen Verkaufsinstrumente ebenfalls nutzen.
siso: Frau Renkhoff-Mücke, seit nunmehr 25 Jahren im Vorstand führen Sie erfolgreich das Lebenswerk Ihres Vaters fort, tragen dabei Verantwortung für mehr als 5.000 Mitarbeiter. Ist das eine Aufgabe, die immer einfach von der Hand geht, oder gibt es auch Tage, an denen Sie nicht so gut schlafen?
Renkhoff-Mücke: Man wächst mit den Herausforderungen und seinen Aufgaben. Im Lauf der vergangenen 25 Jahre habe ich mich persönlich weiterentwickelt und viel Erfahrung gesammelt: Ich kenne die Branche und habe als Unternehmerin verschiedene Krisen überstanden – die erste sogar bereits relativ früh, als es Anfang der 2000er-Jahre zu einer Baukrise mit schwierigen Zeiten für die Sonnenschutz- und Fensterbaubranche kam.
Mit dieser Erfahrung blicke ich viel gelassener auf eine Krise, wie wir sie aktuell haben. Nichtsdestoweniger gibt es für mich natürlich auch heute noch Phasen, in denen man nicht so gut schläft, in denen man sich Sorgen macht.
siso: Damit muss man als Unternehmerin leben?
Renkhoff-Mücke: Dass man Themen mit nach Hause nimmt, hört wahrscheinlich nie auf. Es ist aber auch ein Zeichen von Verbundenheit: Man lebt mit dem Unternehmen, man lebt mit den Mitarbeitern, man nimmt Verantwortung wahr – und manchmal ist Verantwortung eben ein kleiner Rucksack. Aber, und das kann ich mit voller Überzeugung sagen, mir macht die Arbeit sehr viel Freude und ich möchte keinen Tag der vergangenen 25 Jahre missen. Natürlich gab es immer wieder Aufs und Abs, unterm Strich war es aber eine schöne Zeit – ich bin sehr zufrieden.
siso: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Renkhoff-Mücke: Ich wünsche mir, dass das Unternehmen den Weg, den es eingeschlagen hat – angefangen bei meinem Vater, der das Unternehmen maßgeblich geprägt hat, dann über meine Zeit hinweg –, erfolgreich fortgeht. Es soll immer Fortschritte machen und nie stehen bleiben – Herausforderungen als Anreiz nehmen, sich weiterzuentwickeln. Eine große Rolle spielen dabei das Team und die Menschen im Unternehmen. Sie sollen weiterhin die Befähigung haben, das Unternehmen erfolgreich auf die Zukunft und die nächsten Herausforderungen vorzubereiten. An den zukünftigen Aufgaben sollen sie gemeinsam mit dem Unternehmen wachsen.
siso: Bestehen eigentlich Schnittmengen zwischen den Unternehmenssparten Sonnenschutz und Kunststoff & Engineering?
Renkhoff-Mücke: Unternehmerisch geht es um Diversifikation, dennoch bestehen Schnittstellen – zumal die Sparte Kunststoff und Engineering aus dem Sonnenschutz hervorgegangen ist. Was beide Branchen verbindet, ist das Ziel, technologisch und qualitativ anspruchsvolle Lösungen zu entwickeln. Hinsichtlich der Art und Weise, wie man sich diesen Herausforderungen stellt, können beide Sparten voneinander lernen. In beide Richtungen findet ein Transfer von Know-how statt, so dass es zu Synergieeffekten kommt.