Hinweispflicht beachten Urlaubsrecht: Was Arbeitgeber jetzt wissen sollten

Nach zwei Gerichtsentscheidungen müssen Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung ihrer Beschäftigten noch aktiver sein und regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht erläutert, worauf dabei zu achten ist.

Urlaubsansprüche verjähren künftig nur noch, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer regelmäßig darauf hingewiesen hat. - © Daniela H./stock.adobe.com

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20. Dezember 2022 einen Grundsatz des Urlaubsrechts ad acta gelegt: Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern verjähren jetzt nur noch, wenn der Arbeitgeber sie regelmäßig darauf hingewiesen hat. Bislang war es so, dass nicht genommene Urlaubstage nach drei Jahren auf jeden Fall verjährten. "Es gab also eine zeitliche Höchstgrenze, bis zu der die Mitnahme von Urlaubsansprüchen möglich war", sagt Aribert Panzer, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun. Das BAG habe diese Grenze nun an die Bedingung eines regelmäßigen Hinweises des Arbeitgebers geknüpft und damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im nationalen Kontext umgesetzt.

Gilt auch für erkrankte Mitarbeiter

Diese Hinweispflicht des Arbeitgebers greife ebenso bei einem langzeiterkrankten Arbeitnehmer. "Wenn ein Arbeitnehmer im Lauf eines Jahres arbeitsunfähig wird, verfällt dessen Urlaubanspruch nur dann, wenn der Arbeitgeber ihn regelmäßig daran erinnert, den Urlaub zu nehmen und ihn auf den möglichen Verfall und die mögliche Verjährung hingewiesen hat", sagt er. Das führe auf Arbeitgeberseite insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig werde und bleibe, bevor der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachkommen konnte.

Für Unternehmen haben beide Entscheidungen des BAG große Auswirkungen – in operativer und finanziellem Zusammenhang: "Erinnert ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht regelmäßig an ihre Urlaubsansprüche sowie deren Verfall und Verjährung, ist in zeitlicher Hinsicht alles offen", ordnet Panzer ein. "Arbeitnehmer könnten in einem solchen Fall ihre Urlaubsansprüche zeitlich unbefristet ansammeln." Ob dies auch für den monetären Urlaubsabgeltungsanspruch gelte, lasse sich erst nach Vorliegen der Urteilsbegründung beurteilen.

Risiken planen und kontrollieren

Finanziell gesehen sei das Thema nunmehr eine große Herausforderung. Schließlich müsse ein Unternehmen für jeden Urlaubstag, den ein Arbeitnehmer im laufenden Geschäftsjahr nicht in Anspruch nehme, finanzielle Rückstellungen bilden. Denn wenn dieser mit Resturlaub kündige oder ihm gekündigt werde, könne es sein, dass der Resturlaub ausgezahlt werden müsse. In solchen Fällen sei ein finanzielles Polster für den Arbeitgeber viel Wert. Allerdings können die Rückstellungen die Firmenbilanz negativ beeinflussen, da sie im Falle eines Abrufs den zu versteuernden Gewinn und damit die Steuerlast des Unternehmens erhöhen. "Unternehmen sollten daher Wert darauf legen, dass nicht genommene Urlaubstage nicht unbegrenzt angesammelt werden", rät er. Auch um Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, empfiehlt er Arbeitgebern, die Entscheidungen des BAG zum Anlass zu nehmen, ihre Vorgehensweise beim Thema Urlaub zu überprüfen.

Hinweis und Nachweis

Spätestens seit dem Urteil des BAG aus dem Februar 2019 ist klar: Ein Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter formal und rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie noch Urlaubstage übrig haben und diese verfallen können. "Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber das auch nachweisen kann", sagt Panzer. Denn nur dann verfalle der Jahresurlaub der Arbeitnehmer zum Ende des Jahres bzw. zum 31. März des Folgejahres. "Nach den aktuellen Entscheidungen des BAG müssen Arbeitgeber aber zusätzlich darauf achten, dass sie Arbeitnehmer auf die Verjährung nach drei Jahren aufmerksam machen", so der Spezialist.

Regelmäßige Erinnerungen

Nunmehr stellt sich die Frage, was unter einem formalen und rechtzeitigen Hinweis zu verstehen ist. "Leider ist die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, die sogenannten Hinweisobliegenheit, sehr unkonkret ausgestaltet", bedauert er. Erinnere der Arbeitgeber zu früh im Jahr, etwa bereits im Frühjahr, fehle dem Hinweis die Wirkungskraft. Je näher das Jahresende rücke, desto wirksamer seien Erinnerungen oder gut gemeinte Warnungen vor einem Urlaubsverfall. Allerdings komme es dann mitunter vor, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht mehr im laufenden Geschäfts- und Kalenderjahr nehmen könne.

Es sei daher für Arbeitgeber ratsam, das Thema regelmäßig anzusprechen, z.B. alle drei Monate. Zudem müsse der Arbeitgeber bei diesen Hinweisen auch langzeiterkrankte Arbeitnehmer informieren. "Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber die Information ihrer Arbeitnehmer schriftlich dokumentieren und sich innerhalb einer angemessenen Frist bestätigen lassen, dass sie die Information erhalten und verstanden haben", sagt Panzer.

Keine unlösbare Aufgabe

Arbeitgeber kommen ihren – leider eher unklar definierten – Pflichten am besten im Austausch mit den Arbeitnehmern nach. Das gemeinsame Ziel sollte es sein, die Urlaubswünsche abzufragen, um diese bei der Festlegung des Urlaubs mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. Im Rahmen einer vorausschauenden Urlaubsplanung ist es zudem wichtig, die Bedürfnisse der jeweils anderen Seite im Blick zu haben – zum Beispiel Schulferien bei Arbeitnehmern mit schulpflichtigen Kindern oder Auftragsspitzenzeiten in saisonalen Branchen auf Arbeitgeberseite. "Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich austauschen, profitieren beide Seiten davon und das Thema Urlaubsplanung ist – trotz ungenauer Definition – keine unlösbare Aufgabe", fasst er zusammen.