Schadensfall 1-22 Sturmschaden oder fehlerhafte ­Montage?

Obwohl der Windwächter auf einen sehr niedrigen Schwellenwert eingestellt war, sollen Schäden an einer Wintergartenmarkise durch Wind entstanden sein – zumindest behauptete das der ausführende Betrieb. Eine Ausrede, um von Montagefehlern abzulenken?

Das Zugband ist von der Bandrolle gesprungen, das Befestigungsprofil ist in der Mitte verbogen. - © Hochmuth

Ein Kunde hatte an seinem Wintergarten eine motorisierte Aufglasmarkise montieren lassen. Noch innerhalb der Gewährleistungsfrist kam es zu Schäden an der Anlage. Während der Auftraggeber einen Montagefehler vermutete, der sich auf die Mechanik auswirkte, ging der beauftragte Fachbetrieb von einem Sturmschaden aus und wies jede Schuld von sich. Es kam wie es kommen musste: Der Fall landete vor Gericht. Der hinzugezogene Sachverständige sollte die Schadensursache ermitteln.
Schadensbild
Beim Vor-Ort-Termin stellte der Sachverständige fest, dass die Führungsschienen der Markise an der Innenkante starke Abriebspuren aufwiesen – ein Indiz dafür, dass die Wintergartenmarkise nicht einwandfrei nach oben bzw. unten gelaufen sein kann. Am Ausfallprofil, das sich beim Ortstermin außerhalb der Führungsschienen befand, waren wiederum die seitlichen Lauf- und Führungsrollen stark beschädigt. Im Kastenprofil waren auf beiden Seiten die Zugbänder von der Bandrolle gesprungen, rechts war zudem das Befestigungsprofil in der Mitte verbogen.

Schadensanalyse I: Schrägzug der Markise

Bei genauerer Begutachtung stellte der Sachverständige fest, dass das ausführende Unternehmen die Führungsschienen der Wintergartenmarkise nicht exakt parallel montiert hatte. Beim Vermessen der Diagonalen ergab sich ein Versatz von 60 Millimeter. Folglich lief die Markise einseitig schief. Rein optisch war der Schrägverlauf aufgrund der am Dach verbauten Plexiglas-Stegplatten nicht zu sehen.

Schadensanalyse II: Keine formschlüssige Befestigung der ­Abstandhalter

Des Weiteren hielt der Sachverständige in seinem Gutachten fest, dass das Unternehmen die Abstandhalter, die zur Aufnahme der seitlichen Führungsschienen dienen, direkt auf das Aluminium-Hohlkammerprofil der Wintergarten­konstruktion geschraubt hatte, und zwar durch ein bauseitiges Zinkblech hindurch. Zum Einsatz kamen Sechskantschrauben mit den Maßen von 70 mal sechs Millimeter, Unterleg- und Dichtungsscheiben verwendeten die Monteure nicht.
Alles in allem waren die Abstandhalter nicht formschlüssig befestigt. Daran änderte auch nichts, dass die Monteure die Halter einseitig mit Kunststoffplatten unterlegt hatten, um die Schräge des Zinkblechs auszugleichen.

Hintergrund: Längenausdehnung von Zink

Was hat es mit dem Zinkblech auf sich? Das Blech ist am seitlichen Mauerwerk befestigt und auf der Höhe des Wintergartendachs um zirka 100 Grad gekantet, damit Regenwasser kontrolliert von der Wand her abfließen kann. So weit, so gut. Nun ist es allerdings so, dass sich Zink bei Wärme ausdehnt und bei Kälte zusammenzieht, es also bei jeder Temperaturänderung in Bewegung ist. Da das Zinkblech seitlich an der Betonwand verschraubt ist, findet der Temperaturausgleich zum Wintergarten hin statt. In Verbindung mit der nicht fachgerechten Befestigung der Abstandhalter hatte das Folgen: Beim Ortstermin stellte der Sachverständige fest, dass die Halter unten lose waren.

Fazit: Kein Sturmschaden

Insgesamt kam der Sachverständige zum Schluss, dass die Beschädigungen an der Wintergartenmarkise nur durch mechanische Einwirkung entstanden sein konnten. Ursächlich war die nicht parallele Montage der Führungsschienen und die nicht fachgerechte Befestigung der Abstandhalter.
Ein Schaden durch Wind ließ sich mit dem vorgefundenen Schadensbild nicht in Einklang bringen – und war auch aus anderem Grund unwahrscheinlich: Beim verbauten Windwächter war ein niedriger Schwellenwert von 3 eingestellt, die Schutzfunktion löst also bereits bei einer mäßigen Brise (4 Beaufort) aus.
Lösung
Die verbaute Wintergartenmarkise muss komplett demontiert und entsorgt werden. Die Abstandhalter sind mit Stockschrauben, Dichtscheiben und Dichtmittel fachgerecht am bestehenden Wintergarten zu befestigen. Im Anschluss muss eine neue Markise montiert werden. Der Sachverständige veranschlagt dafür zirka 4.600 Euro. Immerhin: Die verbaute Steuerung im Wert von zirka 450 Euro lässt sich wiederverwenden.