Schadensfall 5/6-2025 Die Bohrmaschine als Plissee-Antrieb

Ein Bauherr hatte in seiner Wohnung Wabenplissees in horizontaler Ausführung installieren lassen, um den Sonnen- und Hitzeeintrag über den Lichtausschnitt im Gebäudedach zu reduzieren. Seltsam fand er, dass er die neuen Anlagen mithilfe einer Bohrmaschine aus dem Baumarkt bedienen musste.

Die Plafond-Anlagen, hier im geöffneten Zustand, sind waagerecht unterhalb des als Holz-Glas-Konstruktion ausgeführten Lichtausschnitts im Gebäudedach eingebaut. - © Hochmuth

Mit Unterstützung eines Planungsbüros für Interior Design, das die Gesamtkoordination des Bauvorhabens übernahm, hatte ein Bauherr die vorhandenen Plafond-Anlagen in seiner Wohnung ersetzen lassen. Fünf horizontal über Kopf montierte Wabenplissee-Systeme dienen nun als Sonnenschutz, der unterhalb des 6.400 mal 1.500 Millimeter großen Lichtausschnitts im Walmdach des Gebäudes zum Einsatz kommt. Die Umsetzung erfolgte durch einen Raumausstatterbetrieb.

Woran sich der Bauherr störte

Freude an der Lösung hatte der Bauherr allerdings nicht. Er störte sich daran, dass er die zum Verfahren der Wabenplissees erforderliche Kurbel mithilfe eines Akku-Bohrschraubers aus dem Baumarkt in Bewegung bringen musste, und stellte die Tauglichkeit der Anlagen für die vorliegende Einbausituation infrage. Auch empfand er die Kosten für die Anlagen und deren Montage in Höhe von zirka 5.500 Euro als übertrieben hoch. Er wandte sich an das Planungsbüro als seinen Ansprechpartner für die Projektabwicklung – stieß jedoch auf wenig Verständnis. So landete der Fall vor Gericht. Der hinzugezogene Sachverständige sollte zu den Vorwürfen des Bauherrn Stellung nehmen.

Vor-Ort-Termin: Ist-Zustand dokumentiert

Beim Ortstermin nahm der Sachverständige die verbauten Plafond-Anlagen genau unter die Lupe. Seine Feststellung: Die Wabenplissees sind mithilfe von Drahtseilen verspannt und in waagerechter Ausführung (180 Grad) montiert. An den beiden Längsseiten des als Holz-Glas-Konstruktion ausgeführten Dachausschnitts befinden sich, jeweils mit Klemmhaltern befestigt, Aluminiumprofile, welche die Mechanik beinhalten und die Spannseile aufnehmen. Zur Bedienung der Anlagen wird ein 2.090 Millimeter langer Stab auf einen Zapfen gesteckt und mit besagtem Akku-Bohrer aus dem Baumarkt in Drehung versetzt.

Fehlende Nachweise für Montageart und Elektrokurbel

Interessant wurde es dann, als sich der Sachverständige die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen zu Gemüte führte. Zum einen ist in diesen die gewählte Montageart nicht aufgeführt. Zum anderen soll die Bedienung gemäß den Dokumenten nicht mit einer beliebigen Bohrmaschine erfolgen, sondern mit einem knickbaren Akku-Stabschrauber 7,2 Volt eines bekannten Markenherstellers. Bedeutet: Für den am Objekt eingesetzten Akkuschrauber fehlt die Zulassung für das Gesamtprodukt; es liegt keine CE-Leistungserklärung in Verbindung mit der Anlage vor.

Was besondere Bestimmungen für kraftbetätigte Anlagen angeht, sind so auch die Vorgaben der DIN EN 13120:2014-09 nicht erfüllt, welche Leistungs- und Sicherheitsanforderungen an innere Abschlüsse festlegt. Dies betrifft u.a. den Umfang der Kennzeichnung sowie den Inhalt von Gebrauchs- und Wartungshinweisen sowie Anleitungen. Da etwa keine Geschwindigkeits- oder Kraftbegrenzung angegeben ist, mit welcher der Akku-Bohrschauber betrieben werden soll, kann es durch Fehlbedienung zu Schäden an den verbauten Anlagen kommen.

Lösung: Austausch notwendig

Zusammenfassend kommt der Sachverständige in seinem Gutachten zum Schluss, dass die verbauten Plafond-Anlagen demontiert und durch neue Anlagen ersetzt werden müssen, für welche die Montage in waagerechter Ausführung nachgewiesen ist. Die Bedienung hat über einen zugelassenen Elektrostab mit Akku zu erfolgen.

Als Kosten für alle Maßnahmen veranschlagt der Sachverständige zirka 4.000 Euro. Für die neuen Anlagen, für die er auf vergleichbare Produkte eines Markenherstellers zurückgriff, und deren Montage errechnete er Kosten in Höhe von zirka 3.000 Euro – der beauftragte Fachbetrieb hatte fast den doppelten Preis in Rechnung gestellt.

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    Als Sonnenschutz kommen Wabenplissees zum Einsatz, die mithilfe von Drahtseilen verspannt montiert sind.
    © Hochmuth
    Als Sonnenschutz kommen Wabenplissees zum Einsatz, die mithilfe von Drahtseilen verspannt montiert sind.
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    Der Bedienstab der Anlagen hat eine Länge von 2.090 Millimeter und ist mit einem Bit-Halter ausgestattet. Über diesen lässt sich der Stab mit einer Bohrmaschine in Drehung versetzen.
    © Hochmuth
    Der Bedienstab der Anlagen hat eine Länge von 2.090 Millimeter und ist mit einem Bit-Halter ausgestattet. Über diesen lässt sich der Stab mit einer Bohrmaschine in Drehung versetzen.
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    Am anderen Ende des Bedienstabs sitzt eine Kupplung, die auf den Getriebezapfen der Anlagen aufgesteckt ist.
    © Hochmuth
    Am anderen Ende des Bedienstabs sitzt eine Kupplung, die auf den Getriebezapfen der Anlagen aufgesteckt ist.
Marc Hochmuth ist ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Mannheim für das Rollladen- und Jalousiebauerhandwerk.
Marc Hochmuth ist ö.b.u.v. Sachverständiger der HWK Mannheim für das Rollladen- und Jalousiebauerhandwerk. - © Hochmuth

So sind Sie auf der sicheren Seite

Ein Blick in die Anleitung hätte gereicht, um zu erkennen, dass das vorliegende Produkt nicht für die ausgeführte Montageart geeignet ist. Unverständlich ist auch, warum der Bauherr zur Bedienung auf einen Akkuschrauber aus dem Baumarkt zurückgreifen musste. Den zugelassenen Stabschrauber hatte der Sonnenschutzhersteller an den beauftragten Raumausstatter geschickt – das zeigt der Lieferschein.