Stressmanagement in der Führungsebene So beugen Sie einem Burnout vor

Das Thema mentale Gesundheit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Mariam Tanno, Expertin im Bereich Mitarbeitergesundheit, erklärt, worauf Führungskräfte achten sollten, um körperlich wie geistig gesund zu bleiben.

Als Führungskraft ist es wichtig, einen klaren Fokus zu setzen und herausfordernde Situationen zu reflektieren. - © Robert Goodall – stock.adobe.com

Die große Bedrohung der Pandemie brachte zweifelsohne viele Einbußen und Schwächen, doch jede Krise bringt auch eine Chance für einen Neuanfang mit sich. "Die Ausnahmesituation des Shutdown und der Ausgangsbeschränkungen sorgte für eine vielleicht schon längst überfällige Entschleunigung des gesellschaftlichen Lebens", sagt Mariam Tanno, Expertin im Bereich Mitarbeitergesundheit. "Die neuen Denkansätze durch Agilität und New Work waren bereits vorgegeben und konnten durch Corona schnellere Umsetzung finden."

Im nächsten Schritt brauche es eine Verfestigung neuer Strukturen, die diese Flexibilität und Selbstorganisation mit den salutogenetischen Ansätzen, das heißt, dem individuellen Entwicklungs- und Erhaltungsprozess zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter und Führungskräfte, in der heutigen Arbeitswelt möglich mache. Als Hintergrund führt Tanno an, dass die Brisanz des Themas mit den Jahren nicht weniger werde.

Welche Anzeichen gibt es?

Wann ist es zu viel und wann wird es Zeit, der Selbstführung eine kleine Unterstützung zu geben? Ein Beispiel: Herr M. ist seit sieben Jahren Geschäftsführer eines Dienstleistungsunternehmens für Industrie und Großhandel mit 200 Mitarbeitern. Er hat bereits viel Führungserfahrung und so manche Stresssituation in seinem Leben handeln müssen. Doch seit einigen Jahren macht ihm die Arbeitsmoral einiger Mitarbeitenden zu schaffen. Darüber hinaus gibt es seit Monaten Lieferengpässe, die es zu überbrücken gilt. "Nicht nur die Arbeitsqualität, auch die Zufriedenheit der Kunden leidet darunter so massiv, dass in Herrn M. bald schon die Sorge wach wird, das Unternehmen nicht mehr halten zu können", schildert Tanno.

Stressbewältigungsmaßnahmen wie Qualitätszeit mit der Familie oder eine Auszeit in Form von Urlaub zeigen keine Wirkung mehr. Herr M. kann nichts mehr genießen. Der Blick für die schönen und erholsamen Dinge im Alltag geht verloren. Die Hausärztin fragt Herrn M., ob er aktuell unter Stress stehe, was er verneint. Er habe schon deutlich schlimmere Situationen erlebt. Das Einzige, was er brauche, sei ein Mittel gegen seine Rückenschmerzen. Seine Frau bemerkt bereits seit einiger Zeit, dass er vergesslich geworden ist. Sie schiebt es aber auf die Durchschlafschwierigkeiten, das sei ja eine normale Reaktion des Körpers.

Frühwarnsignale erkennen

"Aktuelle Studien zeigen, dass Personen, die unter beruflichem Stress stehen, doppelt so häufig unter Rückenschmerzen leiden wie weniger gestresste Personen", schildert die Fachfrau. "Somit ist auch dieses Leiden ein ernst zu nehmendes Frühwarn­signal, welches eine Burnout-Erkrankung ankündigen kann." Weitere Symptome seien Kopfschmerzen, Magenprobleme, Druck auf den Ohren bis hin zu Tinnitus, Atembeschwerden, Neurodermitis oder chronische Erschöpfung.

Erhöhte Ausschüttung von Botenstoffen

Interessant ist, dass das Gehirn entscheidet, ob und wie der Körper auf diesen chronischen Stress reagiert. Immer wieder wird ein Abgleich mit bisher erlebten Situationen getätigt, um Lösungen für Probleme zu finden. "Findet Herr M. also aktuell keine Lösung in seiner stressigen Lage, versucht das Gehirn körpereigene Ressourcen zu aktivieren. Botenstoffe wie Adrenalin und Cortisol werden in ungewöhnlich hoher Menge ausgeschüttet, was die Ursache für Herzrasen, Blutdruckprobleme, Engegefühl in der Brust und Schlaflosigkeit in der Nacht sein kann", betont Tanno. "Auch das Immunsystem leidet unter der erhöhten Cortisolausschüttung und funktioniert nicht mehr wie üblich, die Folge ist u.a. eine erhöhte Infektanfälligkeit.“

Bevor körperliche Beschwerden einer Stressbelastung zugeordnet werden, sollte der Expertin zufolge immer eine gründliche ärztliche Untersuchung erfolgen. Die Zusammenarbeit mit einem Arzt gebe ebenfalls Aufschluss darüber, ob es sich um eine Depression oder einen Burnout handelt. Die beiden Diagnosen könnten miteinander einhergehen. Sie seien jedoch als eigenständige Erkrankungen anzusehen.

Hilfe von außen holen

"Die aufgeführten Symptombereiche zeigen die Auswirkungen von chronifiziertem Stresserleben auf unseren Körper und die Notwendigkeit, frühzeitig achtsam mit sich und seinem Umfeld zu sein", sagt Tanno. "Und das trotz oder gerade aufgrund hoher Verantwortung." Eine zusätzliche Schwierigkeit sei der schleichende Prozess einer Burnout-Erkrankung. Meist werde es erst erkannt, wenn gar nichts mehr geht.

"Warten Sie daher nicht, bis alle zwölf Phasen durchlaufen wurden und sich sozialer Rückzug und innere Leere breit machen. Vor allem, wenn Sie erste Anzeichen eines Erschöpfungszustands bei sich bemerken, analysieren Sie die aktuelle Situation und überlegen Sie gezielt, welche Ressourcen Ihnen zur Entspannung zur Verfügung stehen."

Ist eine gewisse Ohnmacht spürbar oder Unterstützung in diesem Prozess vonnöten, rät die Expertin für Mitarbeitergesundheit, den Hausarzt, die Krankenkasse oder eine ambulante psychotherapeutische Praxis zu kontaktieren.