Die Glasfraktion beschleicht bisweilen ein ungutes Gefühl, wenn Effizienzexperten à la Passivhaus oder Nearly Zero Energy Building für die Rahmenanteile der Gebäudeöffnungen Defizite bei den Wärmedurchgangskoeffizienten konstatieren, weil der U-Wert um das Zehnfache schlechter als die opake Wand ist. Doch das ist nur ein Aspekt energetisch optimierter Gebäudekonzepte.

Franz Freundorfer ist ein „Hüllenmensch“, so apostrophiert er sich selbst. In Märkten wie Japan, China oder Schweden hat er mit einer lokal verorteten, von ihm vor allem technisch, aber auch marketingmäßig supporteten IG Passivhaus mehr als nur einen Stein ins Rollen gebracht. Überall sucht und findet der Geschäftsführer von Pro Passivhausfenster Lizenznehmer für seine SmartWin-Fensterentwicklungen, zusätzlich ist der begeisterte Bewohner eines Passivhauses in Oberbayern sicher unter den Gefolgsleuten der Bewegung, die sich überall auf der Welt rund um den als Erstes von Prof. Wolfgang Feist formulierten Baustandard entwickelt hat, die am meisten – durch unzählige Fortbildungsveranstaltungen, ob für Planer, Architekten oder Handwerker – für die Verbreitung des erforderlichen Know-hows getan haben. Zu Beginn eines funktionierenden Gebäudes steht für den gelernten Schreiner und studierten Holztechniker sowie Betreiber eines Ingenieurbüros die Vorbereitung mit dem PHI Planungstool PHPP. Dabei muss für den „Hüllenmenschen“ vor allem die Qualität der Gebäudehülle stimmen; so fragten ihn Freunde immer wieder, ob er in seine zwischenzeitlich vermietete Doppelhaushälfte eine Kühlung eingebaut habe: „Nein“, lautet die typisch lapidare Antwort, „wir haben aufs Dach eine ordentliche Dämmung draufgemacht.“
ALLES PLANUNGSSACHE
Zwar, das konzediert er, funktioniere in den massiv errichteten alten Bauernhäusern die Steinwand als Speichermasse (winters warm, sommers kühl), ohne Dämmung aber gehe es nicht. Dabei ist es klar, dass die Klimaregion für Unterschiede sorgt: „In Kagawa, wo unser Partner Rainbow Ocean View gerade seine Fensterproduktion aufgenommen hat, sind im Sommer Temperaturen von 40 Grad Celsius keine Seltenheit – da stößt die passive Kühlung an Grenzen.“ Dafür nutzten Bauherren das Wasser aus dem Erdreich, das beispielsweise der Kompressor der vorhandenen Pumpe durch die Heizschlangen der Fußbodenheizung zirkulieren lasse: „Es muss also selbst dann nicht das hässliche, laute, energieverschlingende Splitgerät sein.“ Dagegen funktioniere selbst in sehr warmen Breitengraden wie der genannten Fernostregion oder Spanien in Frühjahr und Herbst, was Freundorfer zu Hause während der Sommermonate praktiziert: „Wir kippen bestimmte Fenster abends, so senkt sich die Raumtemperatur bis zum Morgen auf 22 Grad Celsius ab und bleibt den ganzen Tag über in einem Korridor bis maximal 25 Grad Celsius“ – wohlgemerkt, ohne zusätzlichen Energieeinsatz.
Die Voraussetzung ist eine temporäre Verschattung an ausgewählten Elementen, bei den Freundorfers reichen zwei Rafflamellen, idealerweise intelligent gesteuert. „Das Wichtigste ist es aber, im Bauablauf zunächst am PHPP die Projektierung vorzunehmen, in deren Verlauf der Planer exakt nachvollzieht, welche Ergebnisse die Verschattung eines bestimmten Fensters bringt und wie sich diese ändern, wenn ein anderes Fenster den Sonnenschutz bekommt.“ Keine Überraschung: Es geht um den Sonnenstand zur jeweiligen Saison, die Fassadenorientierung und auch die genaue Position der Gebäudeöffnung. Freundorfers Credo: „Stimmt die grundsätzliche Qualität der Gebäudehülle, passen die Parameter der ausgewählten Materialien wie des Dreifachglases, erfolgt eine kompetente Planung mit dem PHPP – dann kann nichts schiefgehen.“ Dagegen bringen ihn Planungsfehler auf die Palme: „Wenn ich höre, dass in Deutschland eine im Passivhausstandard geplante Schule zum konventionellen Gebäude umgeplant wird, weil der Auslass der Lüftungsanlage im Keller mit zweieinhalb mal vier Meter dimensioniert wurde, dass ich mit dem Lkw durchfahren kann und wenig überraschend riesige Energie- und wirtschaftliche Verluste die Folge sind, dann kann so etwas bei unseren Partnern, zum Beispiel in Schweden, nicht passieren.“ Der Grund: Dort rollen Passivhausplanerin Simone Kreutzer und Bautechniker Tommy Wesslund die Bauszene auf und stehen Pate für energetisch gesehen regelrechte Muster-Schulgebäude, in denen auch der unvermeidliche Wärmeeintrag durch die kleinen zweibeinigen 200-Watt-Heizkörper nicht die Übertemperaturhäufigkeit über Komfortgrenzen hinaus steigert.
PASSIVHAUS GOES SONNENSCHUTZ
Neben dem U-Wert, der in Hinblick auf den Energiehaushalt Bauherr und Umwelt vor Schaden bewahre, sensibilisiert der Passivhausexperte in Verbindung mit dem Glaseinsatz insbesondere für die Bedeutung von g-Wert und Tageslichttransmission TL. Hier geht es, auch energetisch, indes weniger um Schadensabwehr als um kostenlose Energiezugewinne. Die Sonne als Lieferant von Heizwärme dringt nicht durch die Wand. Doch beide Aspekte müssen eng zusammenspielen: „Sind das eingesetzte Glas zu schlecht oder die automatisch schlechter dämmenden Rahmenanteile zu groß, reichen die Wärmegewinne in der Heizperiode nicht, um Energieverluste zu kompensieren“, rechnet Freundorfer vor. Für ihn sind diese Anforderungen K.o.-Kriterien für Sonnenschutzglas und schaltbare Gläser: „In beiden Fällen ist der g-Wert nicht ausreichend, damit kommt zu wenig Licht herein. Bei den neuartigen elektrochromen oder gasochromen Schaltgläsern ist der dunkle g-Wert, der meist zwischen zehn und 20 Prozent rangiert, nur halb so hoch wie nötig, abgesehen von den nicht massenmarkttauglichen Kosten.“
Fazit: Passivhaus goes Sonnenschutz, unter der Prämisse einer elementbezogen erfolgten Projektierung mittels des Planungstools PHPP, der grundsätzlichen Material- und Hüllenqualität und einer eingehenden Analyse von Parametern wie Fassadenorientierung, Gebäudenutzung und Klimadaten.
Reinhold Kober