Freiburger Uni-Bibliothek: Sorgt Diamant für Verkehrschaos? Blendend ist sie ja, die Fassade

Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel – diese physikalische Grundweisheit scheinen die Planer der neuen Freiburger Uni-Bibliothek nicht beachtet zu haben: Steht die Sonne tief, spiegelt sie sich so heftig in der Hightechfassade, dass Autofahrer geblendet werden. R+S-Sachverständiger Heinrich Abletshauser, selbst Ortsansässiger, erläutert für sicht+sonnenschutz, was die Versäumnisse für den Sonnen- und Blendschutz des Gebäudes bedeuten.

An der Südostseite der neuen Freiburger Uni-Bibliothek spiegelt sich die Sonne. - © Jörgens

Nach dem Entwurf des Basler Architekten Heinrich Degelo sollte der Neubau der Freiburger Uni-Bibliothek eine spektakuläre helle, glänzende Glas- und Edelstahlfassade erhalten. Wie Abletshauser schildert, war geplant, dass die beschichteten Scheiben in den Fassadenöffnungen einen ausreichenden Sonnenschutz gewährleisten. „Ein zu -
sätzlicher Blend- und Sonnenschutz war weder an den Außenseiten noch für die Innenräume vorgesehen“, sagt Abletshauser. „Die neue Bibliothek sollte als strahlender Diamant das Stadtbild spektakulär bereichern.“

Die Außenfassade spiegelt

Schon nach ersten Bemusterungen wurden dem Sachverständigen zufolge allerdings Bedenken geäußert, dass mit Blendwirkungen zu rechnen sei. Daraufhin überprüften die Planer das Farbkonzept und wählten eine matte, dunkle Fassadenfarbe. „Die Fassadenplatten wurden in dunkel eloxiertem Alu ausgeführt. Auch die Scheiben erhielten eine dunkle Tönung“, berichtet Abletshauser. War damit das Problem gelöst? Nein. Auch jetzt – das war Anfang 2014, ein Jahr vor der geplanten Fertigstellung im Sommer 2015 – stellte sich heraus, dass die Fassade spiegelt. Besonders die Ostfassade reflektiere das Sonnenlicht massiv – und zwar zweimal im Jahr: im April/Mai sowie im August/September. Das führe zu erheblichen Beeinträchtigungen im Straßenverkehr.

Neben den Autofahrern leiden auch gegenüberliegende Gebäude der Universität unter den erheblichen Spiegelungen. Wie Abletshauser weiß, habe das dazu geführt, dass an verschiedenen Gebäuden Blendschutzanlagen nachgerüstet werden mussten. An der Uni-Bibliothek selbst ließen die Verantwortlichen an der Hauptspiegelseite zunächst einen Sonnenschutz aus dunklem Netzgewebe spannen. Diese Vorrichtung ist nun durch ein helleres, in Anlehnung an das Fassadenerscheinungsbild bedrucktes Segel ersetzt. Wie Karl-Heinz Bühler, der Leiter des Freiburger Universitätsbauamts, der „Badischen Zeitung“ sagte, handle es sich dabei um ein 250 Quadratmeter großes
Mesh-Gewebe, das etwa vier bis sechs Wochen aufgezogen bleibe. „Mit dieser Camouflage wird die Fassade zumindest im gedruckten Erscheinungsbild wiederholt“, meint Abletshauser.

Innen ist es nicht besser

Parallel zur Blendwirkung der Fassade stellte sich nach Angaben des Sachverständigen auch noch heraus, dass die Gläser keinen ausreichenden Blendschutz im Innenraum erreichen. Im weiteren Bauprozess wurde sein Unternehmen mit der Konzeption eines innen liegenden Blendschutzes beauftragt: Aufgrund der Fassadengestaltung mit
nach außen und nach innen neigenden Scheiben plante Abletshauser diesen als Gegenzuganlage. „Der Blendschutz sollte als elektrisch betriebene Rollos mit Gegenzug ausgeführt werden“, sagt der Inhaber des Freiburger Betriebs Jakob Rottler. „Zusätzlich wurden sehr enge Spaltmaße zu den seitlichen Rahmenprofilen und unterschiedliche Bespannungen gefordert und bemustert.“ Diese Forderungen realisierte sein Betrieb mit mehreren Musteranlagen.

Fehler in der Planung?

Wie konnte es nun überhaupt zu der blendenden Fassade kommen? Laut Abletshauser liegt die Ursache der Spiegelungen in der Fassadengestaltung durch vor- und zurückspringende Flächen. „Bei einer bewussteren Planung und Berücksichtigung der Örtlichkeit wären diese zu vermeiden gewesen“, ist sich der Sachverständige si -
cher. Eventuelle Versäumnisse und Mängel bei der Planung wollte Architekt Heinrich Degelo auf Nachfrage von sicht+sonnenschutz nicht kommentieren, das sei eine „kontraproduktive Art, sich über Planungsprozesse und Bauten zu unterhalten“. Das Universitätsbauamt wiederum bat um Verständnis, dass es jetzt in der Phase der Fertigstellung und Abnahmen keine Kapazitäten habe, „um Abhandlungen zur Projektentwicklung und zu diesen komplexen Entscheidungsprozessen zu verfassen“.
Laut Abletshauser wäre der Einsatz eines außen liegenden Sonnenschutzes aufgrund der Fassadengestaltung mit den vor- und zurückspringenden Flächen eine „außerordentliche Aufgabe“ gewesen. Besonders da neben den Scheiben auch die Fassadenflächen in das Beschattungskonzept hätten eingebunden werden müssen. Seiner Meinung nach erhält Freiburg nichtsdestoweniger ein sehr modernes Gebäude, das die heutigen Ansprüche an eine bestens nutzbare Universitätsbibliothek umfassend erfüllen werde. Matthias Metzger