Schadensfall Woher stammen die Flecken im Markisentuch?

Materialbedingt oder nicht? Das war die Frage im vorliegenden Fall, in welchem ein Ehepaar über Flecken im Tuch seiner neuen Markise klagte. Erst die mikroskopische Untersuchung brachte Klärung.

Die Mikroskop-Aufnahme zeigt: Bei den Flecken handelt es sich um anhaftende Schmutzpartikel. - © Gerd-Joachim Müller

Ein Ehepaar, das in bester Villenlage im südöstlichen Brandenburg wohnt, hatte einen Fachbetrieb mit der Montage einer Markise beauftragt. Dabei handelte es sich um eine offene Gelenkarmmarkise mit Kippgelenkarmen und integrierter Abdeckhaube, farblich und in den Abmessungen auf das Wohnhaus abgestimmt.
Zunächst war die Anlage mit Polyacrylbespannung unauffällig. Die fünf Stoffbahnen waren nahtsymmetrisch vernäht, die seitlichen Ausgleichsbahnen tadellos verarbeitet. Nach einiger Zeit erschienen jedoch, für die Eheleute unerklärlich, Flecken, die nicht zum Gesamtbild und insbesondere zu einer teuren Markise passen wollten. Das Paar zog gegen den Markisenlieferanten vor Gericht.

Schadensbild

Der hinzugezogene Sachverständige stellte beim Vor-Ort-Termin fest, dass die fünf Meter breite und drei Meter ausladende Markise mit einer Neigung von 18,3 Grad bestimmungsgemäß montiert war. Auch die Einstellung der Anlage war einwandfrei: In der Bewegung standen die Gelenkarme sowohl beim Ein- als auch beim Ausfahren zueinander, ein Querfaltenzug war nicht feststellbar.

Was aber hatte es mit den Flecken auf sich? Aus einer Entfernung von zwei bis drei Meter waren sowohl in der Aufsicht als auch in der Durchsicht keine Auffälligkeiten erkennbar. Bei näherer Betrachtung stellte der Sachverständige jedoch gräuliche Flecken fest, bevorzugt im vorderen Bespannungsbereich. Der Grund für die Flecken blieb zunächst unklar. In der näheren Umgebung waren weder höhere Bäume noch sonstige die Verschmutzungen verursachende Einrichtungen zu erkennen. Durch das auskragende Gebäudedach wurde die mit einem Schutzdach abgedeckte Markise sogar zusätzlich überdeckt und geschützt. Zur Klärung fertigte der Sachverständige mikroskopische Aufnahmen von den auffälligen Stellen an.

Schadensanalyse

Die insgesamt elf Aufnahmen, welche die Flecken in bis zu 400-facher Vergrößerung zeigten, belegten eindeutig, dass es sich nicht um Stockflecken oder eine materialbedingte Fleckenentwicklung handelte, sondern um anhaftende Schmutzpartikel. Welcher Art diese waren, blieb zunächst offen: Die hier auffälligen Gewebeanhaftungen werden weder in der veröffentlichten Richtlinie beschrieben, noch handelte es sich um Algen oder Pilzkulturen, deren mikroskopische Abbilder dem Sachverständigen aus einer Vielzahl von Unter suchungen bestens bekannt sind. Allerdings: Die im Bild anhang der vom ITRS veröffentlichten „Richtlinie zur Reinigung und Pflege von Markisentüchern“ zu Punkt 4.5.2 abgebildeten Aufnahmen zeigen für die Partikelverschmutzung aus Ruß eine verblüffende Ähnlichkeit zu den getroffenen Feststellungen – wobei die vor Ort genommenen Mikroskop-Aufnahmen eine deutlich geringere Ruß-Belastung erkennen ließen. Um eine endgültige Klärung zu erreichen, wäre eine – nicht zerstörungsfrei durchzuführende – labortechnische Untersuchung notwendig gewesen. Im vorliegenden Fall hätte dies Kosten in Höhe von zirka 10.000 Euro verursacht und hätte in keinem Vergleich zur Schadenshöhe gestanden.

Lösung

Der beim zuständigen Amtsgericht verhandelte Rechtsstreit wurde letztlich zu Lasten der unzufriedenen Kläger entschieden, da dem Markisenlieferanten kein Verschulden nachzuweisen war.

Auf der sicheren Seite

Streitigkeiten wie im vorliegenden Fall verursachen meist erhebliche Gerichtskosten – nicht zuletzt durch die entstehenden Sachverständigen- sowie eventuellen La bor- und Prüfkosten. Um solche Streitigkeiten zu vermeiden, sollten sich die Parteien ernsthaft um ein sachliches Gespräch bemühen, ohne die Gegenseite anzugreifen. Die Lösungsfindung muss immer im Vor dergrund stehen.


Eine Anregung von Dipl.-Ing. Gerd-Joachim Müller ist ö.b.u.v. Sach ver ständiger der IHK Frankfurt am Main für Tore, Sonnenschutz und Roll läden: Vielleicht könnten die bundesweit aktiven Hersteller darüber nachdenken, ihren Au ßen dienst mit Mikroskop-Kameras auszustatten, welche in einfacheren Ausführungen bereits für weniger als 100 Euro erhältlich sind. Hierdurch lässt sich zumindest der ein oder andere Rechts streit verhindern. Auch bleiben die Kunden erhalten, da sich diese ernstgenommen fühlen.