Interview mit Jochen Grönegräs (BF) und Lars Rippstein (IVRSA) „Wir arbeiten letztlich an einem gemeinsamen Produkt"

Die unter Beteiligung der Branchenverbände BF, IVRSA und VFF neu gegründete Repräsentanz Transparente Gebäudehülle vertritt in Berlin gemeinsame politische Interessen. sicht+sonnenschutz hat bei den Geschäftsführern von BF und IVRSA nachgefragt, ob es beim sommerlichen Wärmeschutz zu Interessenkonflikten zwischen der Glasindustrie und der Sonnenschutzbranche kommen könnte.

sicht+sonnenschutz: Herr Rippstein, Herr Grönegräs, trotz der gemeinsamen Zielrichtung der kooperierenden Verbände und Trägerunternehmen ist es nicht ausgeschlossen, dass es mal konträre Positionen zwischen Glasindustrie und Sonnenschutzbranche geben könnte. Wie ist das Vorgehen in einem solchen Fall?

Rippstein/Grönegräs: Dazu gibt es natürlich vertragliche Regelungen – aber bekanntlich ist derjenige Vertrag der beste, in den man nie wieder hineinsehen muss. Wir fällen in der Praxis Entscheidungen im Konsens. Darüber hinaus ist ja jeder der Beteiligten immer noch als Verband alleine oder in anderen Konstellationen unterwegs – die Repräsentanz soll das auch nicht ersetzen, sondern die bau- und energiepolitischen Positionen der Verbände und Unternehmen bündeln, die sie vertritt. Und damit hat sie bereits sehr erfolgreich begonnen.

sicht+sonnenschutz: Sehen Sie Konfliktpotenzial beim immer wichtiger werdenden Thema Sommerlicher Wärmeschutz? Kann es hier gelingen, die Interessen beider Branchen, ihre jeweiligen Produkte entsprechend zu vermarkten, in gleichem Maß zu vertreten?

Rippstein/Grönegräs: Es stimmt, dass sommerlicher Wärmeschutz immer wichtiger wird; das folgt schon aus dem Klimawandel. Ein zentrales politisches Ziel der gemeinsamen Repräsentanz besteht darin, dass dem Fenster seine solaren Energiegewinne zugeschrieben werden, die in drei von vier Jahreszeiten erwünscht sind und den Heizenergiebedarf reduzieren. Für uns ist völlig klar: Wenn man dieses Anliegen vertritt, muss man den Sommerfall immer mitdenken. Wer große Fensterflächen propagiert, muss anerkennen: Man braucht eine Möglichkeit, im Sommer überschüssige Energie auszusperren. Das ist ja gerade der Grund dafür, dass wir uns als Vertreter von Fenster-, Glas- und Sonnenschutzbranche zusammengefunden haben, um die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle gemeinsam zu tragen. Zwischen Sonnenschutzglas, außen liegendem Sonnenschutz, schaltbaren Gläsern und Systemen im Scheibenzwischenraum (SZR) sehen wir dabei keinen Widerspruch – das sind Lösungen, die sich ergänzen und je nach Anwendungsfall ihre Daseinsberechtigung haben. Was im konkreten Einzelfall zum Einsatz kommt, ist natürlich eine Planungsaufgabe, die idealerweise von Simulationsrechnungen durch Experten unterstützt wird.

sicht+sonnenschutz: Die Norm DIN 4108-2 zum sommerlichen Wärmeschutz befindet sich aktuell in Überarbeitung. Worum geht es (Ihnen) dabei?

Rippstein/Grönegräs: Die DIN 4108-2 zum sommerlichen Wärmeschutz wird überarbeitet u.a. wegen geänderter Klimadaten, die die Veränderung zu wärmerem Klima abbilden. Die Notwendigkeit, sommerlichen Wärmeschutz einzuplanen, wird dadurch hervorgehoben, und das ist im Sinne aller Beteiligten der Repräsentanz Transparente Gebäudehülle. BF und IVRSA sind im Normenausschuss vertreten. Speziell zu den Systemen im SZR hat der BF ein eigenes Teilprojekt initiiert, das zum Ziel hat, die bisher gemeinsam in einer Kategorie geführten innen liegenden und zwischen den Scheiben liegenden Sonnenschutzvorrichtungen separat zu beschreiben und hierfür, alternativ zu den gebräuchlichen Abminderungsfaktoren (FC), gtot-Werte zur Verfügung zu stellen. Das wichtigste gemeinsame Ziel bleibt es aber, dass die Regelungen der Norm auch weiterhin große Fensterflächen erlauben.

sicht+sonnenschutz: Gibt es weitere Punkte, wo Glasindus trie und Sonnenschutzbranche ggf. unterschiedliche Interessen haben könnten?

Rippstein/Grönegräs: Wir arbeiten letztlich an einem gemeinsamen Produkt, das immer mehr als Gesamtsystem verstanden werden muss. Um die modernen großen Fensterflächen zu realisieren, braucht es die Kombination der Lösungen unserer Branchen. Die Positionierung der transparenten Gebäudehülle und die Schaffung geeigneter politischer Rahmenbedingungen für alle Partner sind für uns entscheidend. Und da haben wir schon wichtige erste Etappenziele erreicht: Wir haben uns die Neubewertung der Anforderungen an die Gebäudehülle vorgenommen und werden demnächst sehr interessante Studienergebnisse dazu veröffentlichen. Die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle hat es außerdem als eine von 15 Verbandsvertretungen in die Gruppe geschafft, die mit dem Wirtschafts- und dem Innenministerium zusammen für den Gebäudesektor an der Roadmap Energieeffizienz 2050 arbeitet. Weiterhin arbeiten wir zusammen mit der dena an der neuen Leitstudie Integrierte Energiewende 2.0. Wir können also mit gutem Gewissen sagen, dass wir gemeinsam auf einem sehr guten Weg sind.

Matthias Metzger