Der Schadensfall 1/2017 Wer alle Vorgaben ignoriert, zahlt die teure Zeche

Die beste Statik hilft nicht, wenn der ausführende Betrieb die Konstruktionsempfehlungen missachtet und verwegen improvisiert. Wie teuer das in der Praxis zu stehen kommt, zeigt ein Fall mit einem Terrassendach inklusive Sonnenschutz.

Die Dachkonstruktion war nicht fachgerecht ausgeführt. - © Hochmuth

Bei einem Privatkunden hatte ein Handwerksbetrieb eine Terrassenüberdachung mit Baldachin montiert, die laut Kunden nicht wie versprochen ihren Dienst erfüllte. Die Terrassenüberdachung mit weißen Tragprofilen aus pulverbeschichteten Stahlrohren hatte der Betrieb mit einer acht Millimeter dicken Plexiglasscheibe abgedeckt. Auch an den Seiten setzte er Stahlprofile und Plexiglas ein. Eine Schiebetür in Aluminium-Rahmen-Konstruktion auf Rollen gewährt den Durchgang nach draußen. Die Deckenprofile hatte der Handwerker mit Deckenkonsolen, Sechskant-Schraube, Kunststoff-Nylon-Dübeln und Gewindeschraube befestigt. An dieser Konstruktion hing ein abgewinkelter
Aluminium-Winkel, den der Monteur am Trägerprofil verschraubt hatte. Zwei zusammengefügte Stahl-Rechteck-Rohre dienten als Dachkonstruktion. Eine unsachgemäße Montage habe Fliesen auf der Terrasse beschädigt und der Baldachin habe sich nicht richtig ausfahren lassen. Um diese behaupteten Mängel festzustellen oder zu widerlegen, beauftragte das Gericht einen Sachverständigen.

Schadensbild

An der Dachkonstruktion war eine Plexiglasplatte im rechten Teil der Querträger senkrecht nach oben gesprungen. Im Spaltklinker-Terrassenbelag, auf dem sechs Stützen auf Stahlplatten befestigt waren, zeigten sich zahlreiche Risse. Einen Senkrechtpfosten hatte der Handwerker verklebt ohne den Nachweis der Lastaufnahmefähigkeit der Konstruktion. Die Ausführung der Terrassendach-Konstruktion bewertete der Gutachter insgesamt als nicht fachgerecht. Beim Ortstermin ließ sich die Baldachin-Beschattung nicht ordnungsgemäß bedienen. Der beteiligte Statiker monierte Abweichungen der von ihm geprüften Befestigungslösung, beim Fundament und der Bodenplatte auf der Baustelle.

Hintergrund

Die erstellte Statik lag als PDF-Datei vor. Der Fachmann hatte genaue Vorgaben für die gesamte Konstruktion und deren Befestigung geplant, unter anderem die Dimensionierung des Fundaments aus Beton mit Bewehrung und der darauf zu befestigenden Stahlplatte. Der ausführende Betrieb konnte sich also an einer detaillierten Vorgabe orientieren. Beim Ortstermin händigte der Handwerker nur das Aufmaß und eine Konstruktionszeichnung aus. Seit dem 1. Juli 2013 gilt im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) die Kennzeichnung der Bauprodukte mit CE-Kennzeichen und die Bereitstellung der Leistungserklärung nach der Bauproduktenverordnung. Damit bestätigen Hersteller, Inverkehrbringer oder EU-Bevollmächtigte, dass das Produkt den geltenden Vorschriften für die Herstellung von Stahlbauprodukten im EWR entspricht. Der vorliegende Fall forderte eine CE-Kennzeichnung.

Schadensanalyse

Der Sprung im Plexiglas stammte von zu großer Spannung durch zu eng aneinander verbaute Elemente. Der Handwerker hatte andere Deckenhalterungen und Bodenbefestigungen eingebaut, als der Statiker für das Projekt geprüft hatte. Der eingeklebte Dübel des Senkrechtpfostens drehte beim Befestigungsversuch vor Ort durch und
zeigte keine feste Verbindung zum Untergrund. Der Handwerker hatte Stahlplatten mit Schrauben ohne die nötige Zulassung befestigt und wich auch hier von den vom Statiker vorgegebenen Maßen ab. Die notwendige CE-Kennzeichnung fehlte.

Lösung

Der Sachverständige stellte fest, dass eine von der Kundin in Auftrag gegebene Schadensbeseitigung an den Fliesen der Terrasse in Höhe von 1.509,52 Euro aufgrund der nicht fachgerechten Ausführung gerechtfertigt war. Aufgrund der fehlenden CE-Kennzeichnung musste der Handwerker den Baldachin ausbauen und einen Ersatz mit dem passenden Nachweis installieren. Auch das gesamte Terrassendach musste der Auftragnehmer demontieren und fachgerecht entsorgen. Die Kosten für diese Arbeiten und den Bau einer neuen Anlage bezifferte der Experte auf 10.840,50 Euro.