Schadensfall Wenn ein Störsender Probleme macht

Unberechenbar für die Nutzer löste die auf dem Dach installierte Wind-/Sonnensteuerung Fahrbefehle für die am Rathaus montierten Textilscreens aus. Dabei hatte der Fachbetrieb auf alles geachtet – bis auf den notwendigen Abstand zum Mobilfunk-Sendemast.

Die Anlagen selbst sowie Sensorik und Steuerung hatte der Fachbetrieb fachgerecht ausgeführt. - © Müller

Im Rahmen der Sanierung eines Rathauses hatte ein Fachbetrieb u.a. seilgeführte Screens in der Fensterlaibung montiert. Die Ansteuerung erfolgt durch Vor-Ort-Taster sowie eine übergeordnete Wind-/Sonnensteuerung. Bereits kurz nach der Inbetriebnahme kam es zu erheblichen Problemen mit der Steuerung.

SCHADENSBILD

Der Betreiber monierte ständiges steuerungsbedingtes Auffahren und Verbleiben der Behänge in offener Position. Genauer: Die Außenbeschattung fahre bereits bei leichtestem Windzug hoch und bleibe für Stunden blockiert. In der geografischen Position der Liegenschaft herrschen nach Angaben des Betreibers nahezu täglich Winde um drei bis vier Beaufort (Bft). Das entspricht Windgeschwindigkeiten von bis zu acht Meter pro Sekunde.
Auf die Problematik angesprochen, teilte der Hersteller zunächst mit, dass für die örtlichen Gegebenheiten Anlagen mit Schienenführung vorzusehen sind. Der kommunale Auftraggeber bestand daraufhin auf kostenfreie Nachbesserung. Da die Kosten der Sanierung den Neuwert deutlich überstiegen hätten, wurde ein Sachverständiger zur Lösungsfindung hinzugezogen. Dieser stellte zunächst fest, dass die benannten Windgeschwindigkeiten unterhalb der empfohlenen Werte gemäß den IVRSA-Einsatzempfehlungen für seilgeführte Flachlamellen liegen. Windlastprüfungen durch den Sachverständigen bei mehreren Prüfinstituten untermauern das zusätzlich. Demnach wurden derartige Anlagen in vergleichbaren Abmessungen im Karman Institut in Belgien mit Windgeschwindigkeiten von 30 Meter pro Sekunde positiv geprüft.

SCHADENSANALYSE

Der Einsatz der seilgeführten Screens am Rathaus stellt also kein Problem dar. Jetzt war zu klären, woher die Probleme mit der Steuerung kommen. Die Wind-/Sonnensteuerung hatte ein auf Gebäudeautomatisierung spezialisiertes Fachunternehmen realisiert, welches dem Sachverständigen aus zahlreichen – auch problematischen – Einsatzfällen als seriös und fachversiert bekannt war. Auch in diesem Fall gab es nichts auszusetzen. Die Anlagen selbst waren fachgerecht ausgeführt: Die Screens sind innerhalb der Fensterlaibungen des sechsgeschossigen Gebäudes windgeschützt montiert. Die Anordnung der Sensorik fand der Sachverständige ebenfalls bestimmungsgemäß und absolut unauffällig vor. Die Wind-/Sonnensteuerung ist mittig auf dem Dach auf einem etwa 1,2 Meter hohen Mast frei montiert.
Was hinzukommt: Die zunächst montierte Wind-/Sonnensteuerung hatte der Fachbetrieb bereits einmal gegen ein anderes Fabrikat ausgetauscht sowie räumlich versetzt. Dies brachte keine Abhilfe. Es mussten also weitere, nicht direkt erkennbare Parameter auf die Steuerung einwirken. Als Störquelle machte der Sachverständige schließlich die Mobilfunk-Sendeantenne aus, die auf dem Dach montiert ist. Die Entfernung zwischen der Sendeeinheit und der Wind-/Sonnensteuerung beträgt 20 Meter.

HINTERGRUND

Mobilfunksender emittieren Sendestrahlung. Nach Rückfrage bei der zuständigen Bundesnetzagentur zur Standortbescheinigung betragen die örtlichen Sicherheitsabstände zur Anlage in Hauptstrahlrichtung 23,36 Meter und vertikal 5,61 Meter. Die elektronische Wind-/Sonnensteuerung befindet sich somit innerhalb des Sicherheitsbereichs der Sendeeinrichtung. Und das hat Folgen: Die elektronischen Schaltkreise der Steuerung werden dem Sachverständigen zufolge durch die emittierte Strahlung massiv gestört. Die Steuerung hat daher unvorhersehbare Befehle ausgelöst.

LÖSUNG

Mobilfunksendeeinrichtungen werden gerade in Städten häufig auf Dächern montiert. Für jede Anlage erteilt die Bundesnetzagentur eine sog. Standortbescheinigung. Über die EMF-Datenbank bei der Bundesnetzagentur lassen sich nach Eingabe der Adresse die Standortbescheinigungen einsehen. Durch Anklicken erfährt der Nutzer die standortbezogenen Sicherheitsabstände. Das heißt: Entweder es kommen keine elektronischen Wind-/Sonnensteuerungen zum Einsatz, oder aber der Fachbetrieb platziert die Geräte außerhalb des Sicherheitsabstands. Hier dürfen nach Erfahrung des Sachverständigen ruhig einige Meter hinzugegeben werden.