Schadensfall 6-21 Wählerische Lichtschranke: Prüfkörper hui, Fahrzeuge pfui

Wie in Ausgabe 5/2021 berichtet, hatte der ö.b.u.v. Sachverständige Jochen Lude beim Torforum auf der R+T digital aktuelle Fälle aus der Gutachterpraxis vorgestellt. Ein kurioser Fall aus seinem Vortrag: Die Toranlage erfüllte die Anforderungen der DIN EN 12453, die installierte Lichtschranke erfasste zuverlässig die darin beschriebenen Prüfkörper. Fahrzeuge erkannte die Einrichtung allerdings nicht sicher. Warum?

Tückisch: Die installierte Lichtschranke besitzt einen relativ großen Öffnungswinkel. Das hat zur Folge, dass der Lichtstrahl auf dem stark glänzenden Boden reflektiert und so das Fahrzeug umspiegelt wird – Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. Ist eine schwarze, nicht reflektierende Matte auf dem Boden ausgelegt, wird das Fahrzeug zuverlässig von der Lichtschranke erkannt. - © Lude

In der Tiefgarage einer kleinen Wohnanlage mit acht Mieteinheiten wäre es beinahe zu einem Fahrzeugschaden gekommen. Ein Pkw wollte aus der Tiefgarage ausfahren, musste aber aufgrund erhöhten Verkehrsaufkommens unterhalb des geöffneten Tores stoppen. Nachdem die eingestellte Offenhaltezeit abgelaufen war, begann sich das Schwingtor zu schließen – obwohl sich das Fahrzeug im Erfassungsbereich der installierten Lichtschranke befand. Nur der schnellen Reaktion des Fahrers war es zu verdanken, dass es zu keinem Schaden kam. Er konnte den Pkw rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich bewegen.

VOR-ORT-TERMIN: PRÜFKÖRPER ERKANNT, FAHRZEUGE NICHT


Warum hatte sich das Tor geschlossen, obwohl das Fahrzeug im Erfassungsbereich der Lichtschranke stand? Diese Frage sollte der ö.b.u.v. Sachverständige Jochen Lude klären. „Da es sich bei einer Lichtschranke um ein optisches System handelt, stellten wir die Situation beim Vor-Ort-Termin mit zwei verschiedenen Fahrzeugen nach – einem schwarzen und einem weißen“, berichtete Lude. Der Test bestätigte den Ablauf, wie ihn der Pkw-Fahrer geschildert hatte, und das unabhängig von der Fahrzeugfarbe: Egal ob schwarz oder weiß – das Tor lief nach Ablauf der Offenhaltezeit zu, obwohl sich das Fahrzeug im Lichtstrahl der Lichtschranke befand. In der Folge wiederholte Lude den Test, nun mit Prüfkörpern, wie sie in der DIN EN 12453 beschrieben sind. Die Überraschung: Hier stoppte der Torlauf sofort bzw. die eingestellte Offenhaltezeit startete gar nicht erst.

ERKLÄRUNG: REFLEXIONEN ÜBERLISTEN LICHTSCHRANKE

Warum versagt die Lichtschranke, wenn es darum geht, Pkws zu erfassen? Die Eigenschaften der eingebauten Lichtschranke spielen für die Erklärung ebenso eine Rolle wie die über dem Boden schwebende Karosserie von Fahrzeugen – und schließlich kommt das Reflexionsgesetz zum Tragen: Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel. „Die eingesetzte Lichtschranke besaß einen relativ großen Öffnungswinkel. Das hatte zur Folge, dass der Lichtstrahl auf dem stark glänzenden Boden reflektiert und so das Fahrzeug umspiegelt wurde“, erklärte Lude.
Und in der Tat: Legte der Sachverständige eine schwarze, nicht reflektierende Matte auf den Boden in der Mitte des Tores, wurde das Fahrzeug wie gewünscht erfasst – die Umspiegelung des Fahrzeugs war nicht mehr möglich. Entfernte er die Matte wieder, startete sofort die Offenhaltezeit – das Torschloss.

HINTERGRUND:NORM STELLT KEINE HOHEN ANFORDERUNGEN


Da es sich bei einer Lichtschranke um eine Zusatzeinrichtung handelt, welche nur in Verbindung mit einer zugelassenen Kraftabschaltung oder einer zugelassenen Sicherheitskontaktleiste zum Einsatz kommt, werden laut Lude keine hohen Sicherheitsanforderungen an die Lichtschranke gestellt. Gemäß DIN EN 12453, Anhang D habe sie einen auf dem Boden stehenden Prüfkörper zu erfassen, der bei dem hier verwendeten Tor eine Höhe von 300 Millimeter und eine Breite von 200 Millimeter besitzen soll. „Wird der Prüfkörper erkannt, ist alles okay – die Toranlage entspricht der Norm“, sagte Lude.
Wie er ergänzend ausführte, muss die Lichtschranke als Zusatzeinrichtung nicht von der Torsteuerung überwacht werden. Sie sei allerdings alle sechs Monate zu testen. „Die Überprüfung kann der Betreiber auch selbst vornehmen, er muss keinen Fachbetrieb beauftragen“, erläuterte Lude.

SCHLUSSFOLGERUNG: ZUSATZPRÜFUNG SINNVOLL


Die begutachtete Toranlage erfüllt trotz des ambivalenten Verhaltens der Lichtschranke die Anforderungen der DIN EN 12453. Den Schwerpunkt legt die Norm nämlich darauf, dass sich keine Personenschäden ereignen. Entsprechend sind die Prüfkörper so ausgelegt, dass vor allem Menschen zuverlässig erkannt werden. Um auch Fahrzeuge sicher vor Schäden zu schützen, empfiehlt Lude, die Lichtschranke nicht nur mit den in der Norm beschriebenen Prüfkörpern zu testen, sondern auch mit einem Hindernis, das sich nicht auf dem Boden befindet. „So lässt sich prüfen, ob eine Umspiegelung eines Fahrzeugs oder eines Objekts möglich ist oder nicht“, sagte Lude.

PRAXISTIPP: KLEINEN ÖFFNUNGSWINKEL WÄHLEN


Um Umspiegelungen zu vermeiden, sollten nach seinen Angaben der Öffnungswinkel und die Montagehöhe der Lichtschranke aufeinander abgestimmt sein. Zur Verdeutlichung: Bereits bei einer Torbreite von sechs Meter, einer Montage höhe der Lichtschranke von 300 Millimeter und einem Öffnungswinkel von nur zwölf Grad kann es laut Lude zu einer Umspiegelung kommen. Generell rät der Sachverständige ausführenden Betrieben dazu, den Öffnungswinkel der Lichtschranke so klein wie möglich zu wählen. „Je kleiner der Winkel, desto besser – auch wenn es dann für den Monteur schwieriger wird, die Lichtschranke auszurichten.“