Digitalisierung der Branche Vermittlungsplattform im Wandel der Zeit

Die Online-Plattform MyHammer bringt Auftraggeber und Handwerker zusammen. Das digitale Modell ist seit dem Jahr 2005 auf dem Markt. Heute ist es aber anders als damals. Die kritisierte Rückwärts-Auktion existiere nicht mehr, sagt Matthias Niebuhr, Justiziar bei MyHammer.

Handwerksbetriebe können sich über spezielle Online-Plattformen mit Endkunden ­zusammenfinden und austauschen – und auf einen Auftrag verständigen. - © Rawpixel.com – stock.adobe.com

Diesen Sommer waren an einem Tag im Raum München zirka 70 Aufträge bei MyHammer für Fenstermonteure zu vergeben. Die Digitalisierung schreitet voran – auch im Handwerk. Virtuelle Veranstaltungen, digitale Meetings oder Online-Sessions sind – spätestens seit Pandemiebeginn – keine Seltenheit mehr. Endgerät-Applikationen gewinnen ebenfalls an Bedeutung.

"Das Thema Digitalisierung im Handwerk ist sehr spannend. Wenn Sie alle Bereiche des Lebens nehmen, dann erstaunt, wie lange es gedauert hat, bis die Digitalisierung im Handwerk angekommen ist", sagt Matthias Niebuhr, Justiziar bei MyHammer. "Größere Betriebe sind mutmaßlich schon länger etwas professioneller aufgestellt, aber in weiten Teilen des kleinen Handwerks findet die Digitalisierung jetzt statt." Insbesondere mobile Endgeräte bedeuteten heutzutage häufig für kleine Handwerksbetriebe einen großen Sprung in die digitale Zukunft.

Früher Einstieg in die Thematik

Das digitale Handwerkerportal MyHammer hat vor mehr als 15 Jahren den Weg in die Handwerks-Digitalisierung (mit)geebnet: Die Online-Plattform unterstützt Handwerksunternehmen bei der Auftragssuche und hilft Verbrauchern, den passenden Betrieb für ihren Auftrag rund um Haus und Garten zu finden. "Wir waren schon früh dran mit dem Thema – vielleicht zu früh. Der Bedarf an Online-Angeboten war damals noch nicht so gefragt wie heute – da waren wir Vorreiter", sagt Niebuhr. Und weiter: "Wir sind ein Ausdruck von verschiedenen Digitalisierungsströmen."

Damals Auktion, heute Marktplatz

Die in Deutschland und Österreich betriebene Online-Plattform finanziert sich über Beitragszahlungen der registrierten Handwerker, für Auftraggeber ist MyHammer kostenlos. Das im Jahr 2005 gegründete Unternehmen mit Sitz in Berlin beschäftigt 120 Mitarbeiter. "Wir kommen ursprünglich aus der Ebay-Welt: Der damalige Gründer Ingo Endemann hat sich dem Gründungsmythos zufolge ein Schloss gekauft und suchte Handwerker für die Restauration. Die Betriebe waren ihm allerdings zu teuer", sagt Niebuhr. Deswegen habe er sich den Marktplatz für Handwerksbetriebe ausgedacht – mit der berüchtigten Rückwärts-Auktion: Das billigste Angebot gewinnt. "Diese ursprüngliche Idee hängt uns leider immer noch nach. Die Rückwärts-Auktion – von der wir heute selbst nicht überzeugt sind – existiert nicht mehr und wir möchten dieses Image vollständig ablegen."

Lernprozess nach Kritik

Das damalige Preisdumping führte dem Experten zufolge zu einem "krachenden Markteinstieg" und stieß zurecht auf Kritik des organisierten Handwerks wie des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Innungsverbände. "Die berechtigte Kritik hat einen Lernprozess in Gang gesetzt, der uns über die folgenden Jahre zu verstehen half, wie unser Geschäftsmodell funktionieren soll. Wir haben seitdem alles abgeschafft, was auf einen Preisdruck hinwirkt, und sind zu der Erkenntnis gelangt, dass der Preis wichtiges, aber nicht das einzige Kriterium bei Auftragsvergaben ist", sagt Niebuhr.

Die meisten Auftraggeber der Online-Plattform befinden sich laut Niebuhr im besten Alter und besitzen typischerweise bereits Eigenheime. "Diese Leute haben andere Bedürfnisse als lediglich Geld einzusparen, denn sie möchten z.B. ihre neuen Fenster die kommenden Jahre behalten und setzen deswegen auf qualitative Merkmale", sagt Niebuhr. Die Auftragsvergabe gehe somit zumeist nicht an den günstigsten Anbieter, sondern an jemanden, der im durchschnittlichen Preissegment liegt – positive Bewertungen seien ein mindestens ebenso wichtiges Kriterium.

Ein weiterer Punkt: Private Verbraucher haben – im Gegensatz zu gewerblichen Auftraggebern – häufig einen geringen Sachverstand und wissen oftmals nicht, was handwerkliche Dienstleistungen kosten. Dementsprechend seien sie wenig preissensitiv – der Auftrag muss halt ins Budget passen. "Wir haben kein Interesse, dass Betriebe bei uns nichts verdienen – dann kommen sie nicht, dann bleiben sie nicht und dann bezahlen sie uns nicht. Diese Erkenntnis ist bei uns seit der Gründung gewachsen."

Vermittlung auf digitaler Basis

Das Billiger-Bieten ist passé – was immer noch existiert, ist der Marktplatz, wo die Vermittlung stattfindet und Kontakte entstehen. "Wir führen Menschen zusammen – gewissermaßen wie eine Dating-Plattform, nur eben für Handwerker und Verbraucher. Dass die Parteien zueinanderfinden, sehen wir als unsere Aufgabe an", sagt Niebuhr. Das System ist vergleichsweise wenig tief integriert. "Wir bringen die Leute zusammen, aber was daraus entsteht – ob ein Auftrag zustande kommt und zu welchem Preis etc. – ist den Protagonisten selbst überlassen."

Seriöse Prüfung der Betriebe

Auftraggeber finden via MyHammer passende Experten in ihrer Region: ob z.B. für Umzüge, Wohnungsrenovierungen oder größere Baumaßnahmen. Aussagekräftige Betriebsprofile, zahlreiche Kundenbewertungen sowie individuelle Angebotsvergleiche helfen Nutzern bei der Auftragsvergabe. MyHammer achte auf die Einhaltung der Handwerksordnung und prüfe Qualifikations-Angaben der jeweiligen Betriebe. "Wenn sich z.B. ein Fensterbauer bei uns anmeldet, lassen wir uns zuerst die Handwerkskarte vorlegen und fragen alle relevanten Informationen wie u.a. Kontaktdaten, Tätigkeitsbereich sowie -umkreis ab. Darauf basierend, bekommt der Handwerker die für ihn interessanten Aufträge per E-Mail. Diese sind aber ebenso online oder auf der App einsehbar", sagt Niebuhr.

Das Unternehmen verteilt laut Niebuhr keine Aufträge, sondern zeigt den Betrieben – anhand selbst gewählter Kriterien – passende Aufträge. Bezogen auf das Beispiel aus München bedeutet das: "Er schreibt den Verbraucher an und unterbreitet ihm entweder direkt ein Angebot oder fragt nach weiteren Angaben zur Preisfindung. Diese Kommunikationsmöglichkeit bietet unsere Plattform, und bestenfalls entsteht daraus eine Zusammenarbeit."