Schadensfall 5-21 Überlegen Sie sich gut, wo Sie Ihr Kreuzchen machen

Beim Torforum auf der R+T digital hatte der ö.b.u.v. Sachverständige Jochen Lude aktuelle Fälle aus der Gutachterpraxis vorgestellt. In einem Fall ging es um die nicht konsequent vorgenommene sicherheitstechnische Überprüfung eines Tiefgaragentores: Die defekte Rot-Ampel machte es für Autofahrer unvorhersehbar, wann das Tor mit dem Schließvorgang beginnt – in einem Fall kam es zum Schaden.

Nachgestellte Szene beim Ortstermin: Das Sektionaltor schlug mit der Hauptschließkante auf dem ausfahrenden Pkw auf und be schä digte ihn am Übergang zwischen Windschutzscheibe und Dach. - © Lude

In der Tiefgarage einer mittelgroßen Wohnanlage mit Wohnungen und gewerblich genutzten Immobilien war es zu einem Fahrzeugschaden gekommen. Ein Pkw wollte aus der Tiefgarage hinausfahren, bemerkte aber nicht, dass sich das Tor bereits wieder schloss. Das Sektionaltor schlug mit der Hauptschließkante auf dem Fahrzeug auf und beschädigte es am Übergang zwischen Windschutzscheibe und Dach. Wie konnte es dazu kommen und wer haftet für den entstandenen Schaden? Der Fall landete vor Gericht.

DER BEWEISBESCHLUSS

„Die Fragen im Beweisbeschluss des Gerichts waren sehr konkret formuliert. Das ist in der Praxis leider nicht immer der Fall“, sagt Jochen Lude, der den Fall als ö.b.u.v. Sachverständiger begleitete. Das Gericht wollte demnach wissen, ob die Tor an lage mangelfrei ist bzw. den gültigen Vorschriften und Normen entspricht, ob der Schadenshergang so wie geschildert möglich ist und wie es zum Schaden gekommen sein kann.

HINTERGRUND

An der Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage ist eine Rot-Ampel installiert, die den Verkehr regelt. Die Wohnungseigentümer gemeinschaft (WEG), die die Wohnanlage verwaltet, hatte eine Fachfirma beauftragt, die sicherheitstechnische Überprüfung der Toranlage, die unter den Anwendungsbereich der ASR A1.7 fällt, vorzunehmen – das geschah seit drei Jah ren im jährlichen Turnus. „Die jährlichen Überprüfungen der Anlage dokumentierte der Betrieb im Prüfbuch und mit Prüfprotokollen, so wie es in der Praxis sein sollte“, sagt Lude. Es waren demnach keine Beanstandungen oder Mängel vorhanden – die Anlage galt als mangelfrei.

FESTSTELLUNGEN BEIM VOR-ORT-TERMIN

Beim Ortstermin stellte Lude fest, dass die für die Ausfahrt installierte Rot-Ampel defekt war. Kurios: Auf der Rechnung für die zurückliegende sicherheitstechnische Prüfung nach ASR A1.7 war dieser Mangel vermerkt, nicht aber auf dem zu gehörigen Prüfprotokoll für kraftbetätigte Tore. Im Protokoll bestätigte die beauftragte Fachfirma vielmehr, dass die Toranlage mängelfrei ist und beide Ampeln funktionieren. Aufgefallen ist den Betreibern der Hinweis auf der Rechnung nicht: „Nach Aussage der WEG kommen Rechnungen direkt in die Buchhaltung und werden nicht an den Verantwortlichen für die Toranlage weitergeleitet“, sagt Lude.
Weitere Feststellungen: Der Sachverständige entnahm der Montage- und Betriebsanleitung des Torherstellers, dass die Prüf- und Wartungsintervalle bei mehr als 50 Betätigungen am Tag von zwölf auf sechs Monate zu verkürzen seien. Im vorliegenden Fall wäre das erforderlich gewesen. „Durch Auslesen der Zyklenzahl und Rückrechnung der Betriebstage bestätigte sich, dass die Toranlage weit mehr als 50 Betätigungen pro Tag leisten muss“, sagt Lude.
Des Weiteren fand der Sachverständige auf dem Torblatt ein Hinweisschild vor: „Liebe Tiefgaragennutzer, bitte auch bei einem bereits geöffneten Tiefgaragentor Ihre Fernbedienung Tor öffnen betätigen. Dadurch bleibt das Garagentor für weitere zwei Minuten geöffnet. Vielen Dank.“ Das Schild legt die Vermutung nahe, dass es bereits im Vorfeld des Schadens tages zu Schwierigkeiten mit der Toranlage gekommen ist. Für Lude bleibt es eine Randnotiz: „Als Sachverständige dürfen wir keine Vermutungen anstellen, sondern müssen uns auf Fakten und Daten beschränken.“ Gleichwohl erkennt er an, dass dieses Schild „doch schon einiges“ aussage.

DAS ERGEBNIS DES GUTACHTENS

In seinem Gutachten kommt der Sachverständige zum Schluss, dass die Toranlage nicht mangelfrei ist und auch nicht den gültigen Vorschriften und Normen entspricht. „Da die innen liegende Rot-Ampel keine Funktion aufwies, war die Tor anlage während des Ortstermins nicht mangelfrei“, erläutert Lude. Zudem seien die vom Hersteller vorgegebenen Inter valle für Wartung und sicherheitstechnische Überprüfung nicht eingehalten worden. In beiden Punkten sind nach An sicht des Sachverständigen auch die Hauptgründe für den entstandenen Schaden zu suchen.
Den Schadenshergang, so wie ihn der Pkw-Fahrer geschildert hatte, hält Lude für nachvollziehbar. „Ohne Funktion der Rot-Ampel ist eine gesicherte Ausfahrt aus der Tiefgarage nicht möglich“, betont der Sachverständige. Es sei nicht erkennbar, zu welchem Zeitpunkt die Offenhaltezeit abgelaufen ist und die Zu-Bewegung des Tores startet. Durch die geringe Durchfahrtshöhe der Tiefgarage und den somit geringen Abstand zwischen Fahrzeug und Hauptschließkante sei zudem das Zeitfenster zwischen Start des Tores und Aufschlagen auf dem Fahrzeug sehr klein. „Hinzu kommt, dass die Haupt schließkante aus Sicht des Fahrers nicht immer einsehbar ist“, ergänzt Lude.

DAS URTEIL DES GERICHTS

Das Gericht verurteilte die Fachfirma dazu, den Schaden am Tor sowie am Pkw komplett auszugleichen. „Es kommt vor Ge richt sehr selten vor, dass eine Partei zu 100 Prozent verliert, meistens läuft es auf einen Vergleich hinaus“, sagt Lude. Im vorliegenden Fall sei das Gericht aber der Überzeugung gewesen, dass der Fachbetrieb das Prüfprotokoll so nicht hätte ausstellen dürfen. In der Urteilsbegründung heißt es, dass die Fachfirma durch die sicherheitstechnische Überprüfung die Verantwortung für die Toranlage mitübernehme. Solange die Rot-Ampel nicht funktioniert, sei keine sichere Ausfahrt aus der Tiefgarage möglich – es sei nicht vorhersehbar, wann das Tor mit dem Schließvorgang beginnt. Da die defekte Ampel auf der Rechnung der Firma aufgeführt wird, sei davon auszugehen, dass diese während der Prüf protokoll-Ausstellung bereits defekt war. Das Hinweisschild am Torflügel lasse zudem darauf schließen, dass sich dieser Zustand bereits vor längerer Zeit eingestellt hatte.