Offenheit und Kompatibilität sind Trumpf Sprich mit mir

Geschlossene Ökosysteme werden SmartHome nicht zum großen Durchbruch verhelfen. sicht+sonnenschutz sagt, wie Steuerungs- und Antriebshersteller auf diesen Trend reagieren und welche Erfahrungen Fachbetriebe in der Praxis beim Thema SmartHome machen.

Kleines Gerät, starker Inhalt: der neue Selve Home Server 2. Per App oder mittels Amazon Alexa steuern Nutzer von überall Rollläden, Zip-Screens, Jalousien und auch das Licht – sowie weitere zugeordnete Homematic IP-Komponenten. - © Selve

Insellösungen sind nicht gefragt. Laut der SmartHome-Umfrage von Deloitte aus dem Jahr 2018 hat für Konsumenten die Offenheit von SmartHome-Plattformen einen hohen Stellenwert. 71 Prozent der Befragten – und insbesondere jüngeren Zielgruppen – ist es demnach sehr wichtig oder wichtig, ein SmartHome-System mit Geräten anderer Anbieter erweitern zu können. Viele Steuerungs- und Antriebshersteller haben diesen Trend erkannt.

Selve: Mit Homematic IP umfassender denn je

Als Herzstück einer kompletten Haussteuerung hat Selve zum Jahresstart den neuen Selve Home Server 2 auf den Markt gebracht. Ein besonderer Vorteil für den Verarbeiter sei die einfache Ersteinrichtung in wenigen Schritten. "De facto bekommen wir kaum Rückfragen von unseren Fachpartnern, weil die Einrichtung per Selve Home App so selbsterklärend ist", sagt Alexander Vogt, Leiter Produktmanagement bei Selve. Ein weiterer Vorteil: Der Endkunde kann neben Selve-Funkprodukten (Commeo und Iveo) auch Geräte des SmartHome-Anbieters Homematic IP einbinden. "Somit bietet Selve ein allumfassendes SmartHome-System: hell/dunkel, warm/kalt, sicher, energieoptimierend, inklusive Sprachsteuerung über Amazon Alexa", sagt Vogt. Das System sei jederzeit erweiterbar – auch durch den Endkunden selbst.

Auch in Zukunft will Selve die Einbindung von Fremdsystemen nach eigenen Angaben forcieren. "Die Einbindung weiterer Fremdsysteme in Selve Home ist die Zukunft. So wird in Kürze die Einbindung von IP-Kameras eines weiteren Herstellers möglich sein", sagt Vogt.

Becker-Antriebe: EnOcean-Anbindung leicht gemacht

Becker-Antriebe hebt als Neuheit einen Antrieb mit integriertem EnOcean-Funkempfänger hervor. Beim batterielosen Ansteuern von Rollläden oder Jalousien mit der EnOcean-Technologie kamen bisher klassische Antriebe zum Einsatz, die jeweils eine Zuleitung zum externen Rollladen-/Jalousieaktor benötigten, z.B. im Schaltkasten. Dies bedeutete einen hohen Installationsaufwand und erforderte eine weitsichtige Vorausplanung. Beim neuen Antrieb ist das nun anders: Durch das im Antrieb integrierte Funkmodul entfällt der externe Aktor. Außerdem ist der EnOcean-Antrieb laut Becker – in Verbindung mit dem Opus SmartHome Gateway der Firma Jäger Direkt – in das Apple HomeKit System einbindbar. Dadurch lässt sich die Steuerung der Rollläden über die gleiche App ausführen, mit der der Kunde auch Licht, Steckdosen, Kameras und andere Geräte bedient.

Auch bei Becker geht der Trend nach eigenen Angaben zu Entwicklungen, die interoperabel zu angrenzenden Gewerken sind. Proprietäre Funk-Systeme würden die Branche zwar noch viele Jahre begleiten, deren Bedeutung werde aber in den nächsten Jahren etwas zurückgehen.

Somfy: Funk und Draht in einem System

Die Interoperabilität der Geräte steht nach eigenen Angaben im Mittelpunkt der Vernetzungsstrategie von Somfy. Das Ziel sei es, dem Kunden größtmöglichen Freiraum und Einfachheit im täglichen Leben zu bieten. Durch neuartige Lösungen und das Partnerprogramm So Open baue das Unternehmen das Tahoma-Ökosystem jedes Jahr weiter aus. Als Partner der ZigBee Alliance arbeitet Somfy zudem mit weiteren Tech-Größen wie Amazon, Google und Apple daran, einen einheitlichen Konnektivitätsstandard zu etablieren. Eine weitere Neuerung präsentiert Somfy ab dem dritten Quartal 2020: Ab dann können KNX-Anwender auch die SmartHome-Welt von Somfy nutzen, die u.a. die Protokolle io-homecontrol, RTS, ZigBee, Enocean und Z-Wave umfasst. Der gemeinsam mit dem IoT-Tochterunternehmen Overkiz entwickelte Tahoma-KNX-Konfigurator koppelt laut Somfy das verdrahtete KNX-Bussystem und die io-Steuerung der im Schaltschrank montierten Steuerungszentrale Tahoma DIN Rail direkt miteinander. Das ermögliche die Kommunikation aller Geräte sowie den Datenaustausch.

Kopp: Bluetooth als anerkannter Standard

SmartHome-System von Kopp
Das ab Spätsommer verfügbare SmartHome-System von Kopp basiert auf Bluetooth als anerkanntem Standard. - © Kopp

Kopp, ein Hersteller elektrotechnischer Produkte und Komponenten, bringt im Spätsommer ein neues SmartHome-System auf den Markt, das auf der reichweitenstarken, ausfallsicheren Bluetooth Mesh-Technologie basiert. "SmartHome-Anwender wünschen sich zunehmend Systeme, die nutzerfreundlich, herstellerungebunden und ganzheitlich funktionieren", sagt Produktmanager Uwe Fischbach. "Diesem Nutzerbedürfnis folgend haben wir bei Kopp ein System entwickelt, das mit Bluetooth auf einem verbreiteten, weltweiten Standard basiert und daher die Vernetzung verschiedenster Geräte von unterschiedlichen Produzenten ermöglicht." Mit geplanten weiteren Produktneuheiten geht das Unternehmen nach seinen Angaben noch einen Schritt weiter. "Damit wird es dann möglich sein, jedes Haus und Gebäude zu einem ganzheitlichen, intelligent vernetzten SmartHome oder Smart Building auszubauen – unabhängig vom Baujahr, von der elektrischen Infrastruktur, von der Tiefe der verbauten Schalterdosen oder davon, ob eine Busleitung vorhanden ist", sagt Fischbach. sicht+sonnenschutz meint: Da sich Kopp mit seinen Produkten insbesondere an Elektroinstallateure richtet, sollten R+S-Fachbetriebe, wie auch im Fall von Loxone, eine Umsetzung in Partnerschaft mit einem Elektrofachbetrieb ins Auge fassen.

Stimmen aus der Praxis

Wie Maximilian Ferrari, Mitinhaber der Gebrüder Ulrich Rollladen-Fabrik in Nürnberg, ausführt, hat die Kundennachfrage nach smart vernetzten Produkten in den vergangenen Jahren massiv zugenommen, insbesondere bei Kunden unter 40 Jahren. "Wir rennen offene Türen ein", sagt Ferrari. Ausgehend von den SmartHome-fähigen io-Antrieben von Somfy realisiert der Fachbetrieb über die Tahoma Box individuelle Lösungen. "Die Tahoma Box ist für uns die Eintrittstür in die SmartHome-Welt", sagt Ferrari. "Viele Produkte sind mit dem System kompatibel." Kunden wünschen sich nach seinen Angaben ein Komplettpaket oder bauen sich Schritt für Schritt ihre smarte Produktwelt auf. Er und sein Team integrieren Antriebe, Sensoren, Überwachungskameras, Bewegungsmelder, Gefahrenwarnanlagen, Sprachassistenten wie Amazon Alexa, Philips Hue Produkte und vieles mehr. "Wir verdienen bei einem solchen Auftrag gutes Geld, aber auch der Kunde hat einen Mehrwert", sagt Ferrari. Beispiel Sonnenschutz: Neben der automatisierten Steuerung von z.B. Rollläden nach Uhrzeit oder Sonnenstand sind im Zusammenspiel mit weiteren Komponenten beispielsweise Szenarien wie Anwesenheitssimulation oder Kinoabend programmierbar.

Die Integration und das Einlernen der Produkte gelingt dem Fachmann zufolge einfach. Etwas herausfordernder sei es, wenn es gilt, die Somfy-Produktpalette in das bestehende SmartHome-System eines anderen Anbieters einzubinden. "Wir versuchen dann kundenindividuell, eine Lösung zu finden", sagt Ferrari. Somfy sei über die Jahre aber sehr viel offener geworden. So seien etwa die Somfy RTS-Antriebe in das System Homematic IP integrierbar.

Wunsch: Interoperabilität ohne Grenzen

Auch Bernd Heyer, Geschäftsführer von Heyer Fenster Türen Sonnenschutz in Bad Hersfeld, ist Somfy-Fachpartner. Im Gegensatz zu seinem Kollegen im Süden verlangen seine Kunden allerdings nicht proaktiv nach smarten Lösungen. "Wir verkaufen SmartHome-Produkte eigentlich nur, wenn wir selbst den Anstoß geben und unsere Kunden bei der Beratung explizit darauf hinweisen", sagt Heyer. Wenn die Kunden die Vorteile von SmartHome für sich erkennen, ließen sie sich durchaus darauf ein. "Die Akzeptanz ist ganz anders als früher, als es viel mehr Datenschutz- und Sicherheitsbedenken gab." Da die Nachfrage dennoch nur schleppend verlaufe, stellt Heyer seinen Kunden ab einem bestimmten Auftragswert die Tahoma Box kostenlos zur Verfügung, um sie für das Thema SmartHome zu motivieren. Das Geschäftsmodell zeigt Wirkung. "Wenn wir einmal die Tahoma Box installiert haben, kommt der Kunde zu 90 Prozent immer wieder, um weitere Produkte zu kaufen."

Als smarte Lösung versteht Heyer, wenn sich Markise oder Rollläden abhängig von den Lichtverhältnissen bewegen oder wenn der Sonnenschutz im Zusammenspiel mit der Heizungssteuerung die Raumtemperatur regelt. "Das ist unser Hauptaufgabengebiet", sagt der Fachmann. Gefragt seien darüber hinaus Sicherheitslösungen wie Kameras oder Alarmsysteme. Heyer und sein Team setzen alles aus einer Hand um. Die Einbindung der Somfy-Komponenten in die Tahoma Box gelingt laut Heyer einfach. Über den Enocean- oder Z-Wave-Stick ließen sich auch viele Fremdprodukte problemlos integrieren. In die andere Richtung sieht er, wie Ferrari, größere Herausforderungen. Heyer würde sich generell viel offenere Systeme wünschen. "Es wäre einfacher, wenn alle Produkte zu 99 Prozent kompatibel wären, egal mit welchem System."

So wird innen liegender Sonnenschutz smart

Auch die Automatisierung und intelligente Vernetzung innen liegender Sonnenschutzprodukte gewinnt in smarten Gebäudekonzepten selbstredend an Bedeutung. Coulisse etwa bietet mit Motion ein benutzerfreundliches Motorisierungs- und Automatisierungskonzept. Auch die Produkte von Erfal lassen sich automatisieren. "Durch passende Funk-Komponenten können die Akku-Funkantriebe mittels verschiedener Sensorik wie Lichtsensoren oder Wind-Sonnen-Steuerungen eine Automatisierung unserer Sonnenschutzanlagen ermöglichen", sagt Alexander Feiler, Leiter E-Commerce/Automation bei Erfal. Ergänzend lassen sich nach seinen Angaben dank entsprechender Gateways (Controller) auch Zeitprofile erstellen, die zu fest definierten Zeitschaltpunkten oder auch, mittels Angabe des Standorts, per Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangszeiten ausgeführt werden.

Sonnenschutz als Bestandteil automatisierter Prozesse

Homematic IP
Über die Homematic IP App und das entsprechende Gateway lassen sich Sonnenschutzprodukte von Erfal mit anderen Produkten vernetzen und so in automatisierte Prozesse integrieren. - © Erfal

Die intelligente Vernetzung mit weiteren Produkten gelingt durch die Einbindung des neuen Erfal Antriebs Ease in das SmartHome-System Homematic IP. "Somit werden wir den Anforderungen der Kunden gerecht, die zunehmend Sonnenschutzprodukte nicht nur komfortabel bedienen, sondern auch direkt in automatisierte Prozesse integrieren möchten", sagt Feiler. Mit der Bandbreite an SmartHome-Produkten und speziell der Homematic IP-Produktpalette mit mehr als 90 Komponenten bieten sich den Fachhändlern ebenso wie den Endkunden nach seinen Angaben neue Möglichkeiten, das Zuhause in ein intelligentes Zuhause zu verwandeln. Ein Beispiel: Ein eingebundener Fensterkontakt erkennt die Öffnung eines Fensters, das Heizkörperthermostat regelt ab und gleichzeitig fährt der innen liegende Sonnenschutz in die definierte Wunschposition. "Die Produkte sind dank Plug & Play einfach und kabellos zu installieren. Als Basis dient die kostenlose Homematic IP App, die auch eine Bedienung von unterwegs ermöglicht."

Gesucht: einheitlicher Standard

Und wie sieht es mit der Integration in andere SmartHome-Systeme aus? "Das Problem hierbei sind noch immer Insellösungen der verschiedenen Hersteller", sagt Feiler. Auch die Vielzahl an verschiedenen Funkprotokollen im Bereich 434 MHz, 868 MHz, Zigbee, EnOcean etc. erschwere die Verbindung verschiedener Produkte. "Jeder Hersteller möchte im Grunde erst mal sein System mit seinen Produkten verkaufen." Wie er weiter ausführt, haben die die drei großen Player Amazon, Apple und Google zum Jahresende einen einheitlichen Standard angekündigt. "Vermutlich wird dann die Integrierbarkeit verschiedener Hersteller noch mal deutlich erleichtert", sagt Feiler. Sprachsteuerungssysteme wie Amazon Alexa oder Google Assistant bieten nach seinen Angaben bereits die Möglichkeit, verschiedene Hersteller miteinander zu vereinen und dank definierter Szenarien anzusteuern.