Tipps vom Sicherheitsexperten So minimieren Unternehmen Arbeitsunfälle

Nach wie vor ist die Zahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im deutschsprachigen Raum hoch. Das ist alarmierend, schließlich belasten sie Betroffene und das Unternehmen enorm. Arbeitgeber können jedoch wirkungsvolle Maßnahmen umsetzen, um Risikofaktoren im Betrieb dauerhaft zu reduzieren.

Oftmals investieren Unternehmen viel Geld und Zeit in den Arbeitsschutz, ohne die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. - © SkyLine/stock.adobe.com

"Unternehmen müssen sich selbst kritisch hinterfragen, wenn Arbeitsunfälle häufig vorkommen oder nahezu keiner Beinaheunfälle meldet. Neue Wege sind in diesen Fällen dringend zu prüfen", sagt Sicherheitsingenieur Stefan Ganzke, Gründer und Geschäftsführer der Wandelwerker Consulting GmbH. Er hat fünf Tipps parat, mit denen Unternehmen die Akzeptanz für den Arbeitsschutz steigern.

Maßnahmen analysieren und optimieren

Zunächst ist es laut Ganzke unabdingbar, bestehende Arbeitsschutzmaßnahmen zu prüfen. Es gelte, die in der Vergangenheit erfolgreich durchgeführten Maßnahmen beizubehalten. Gleichzeitig müssen Schwachstellen identifiziert werden. Das seien die Maßnahmen, die kaum Effekte zeigten. "Manche von ihnen waren eventuell sogar ein Rückschritt in der Sicherheitskultur", so der Experte für Sicherheitskultur in Unternehmen.

Oftmals investieren Unternehmen viel Geld und Zeit in den Arbeitsschutz, ohne die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Darum sei es wichtig, die bisherigen Ergebnisse und Maßnahmen stets kritisch zu hinterfragen. Ein systematisches Review der Maßnahmen in Bezug auf deren Organisation, die Prozessintegration sowie die Verhaltensänderung bei Führungskräften und Mitarbeitern sei also nötig.

Messbare Ziele für sicheres Arbeiten setzen

In vielen Unternehmen gibt es dem Fachmann zufolge noch die Null-Unfall-Ziele, die sicherlich gut gemeint sind, allerdings kritische Auswirkungen auf den Arbeitsschutz im Unternehmen haben können. Angenommen, das Jahresziel einer Führungskraft bestehe in einem Null-Unfall-Ziel. Ein Anteil seiner Tantieme sei daran gekoppelt. Sollte nun Anfang Januar ein Glatteisunfall eintreten, könnte die Motivation für die Umsetzung der geplanten Sicherheitsmaßnahmen schlagartig einbrechen. Weiterhin bestehe das Risiko, dass Arbeitsunfälle nicht gemeldet werden oder Ersatztätigkeiten zum Verschleiern meldepflichtiger Arbeitsunfälle führen. Im schlimmsten Fall werde sogar Druck auf Mitarbeiter ausgeübt.

"Ziele im Arbeitsschutz müssen auch durch einzelne Personen erreicht werden können", sagt Ganzke. Auf einen Arbeitsunfall in einem Unternehmen oder einer Abteilung könne ein Einzelner keinen maßgeblichen Einfluss nehmen. Es sollte also die Frage gestellt werden, welche Maßnahmen des Einzelnen oder einer Gruppe dazu führen, dem Null-Unfall-Ziel näherzukommen. Das könne z.B. eine bestimmte Anzahl an Sicherheitsbegehungen, Sicherheitskurzgesprächen, Gefährdungsbeurteilungen oder Weiterbildungen sein.

Individuelle Sicherheitsstrategien integrieren

Gerade wenn die Arbeitsunfälle noch zu hoch seien, die Meldemoral von Beinaheunfällen gering sei oder die Einstellung von Führungskräften und Mitarbeitern zum Arbeitsschutz verbesserungswürdig sei, brauche es einen systematischen Fahrplan für die nächsten Jahre. Einzelmaßnahmen seien nicht dienlich und führen bei der Einführung weiterer Einzelmaßnahmen oftmals dazu, dass viel Zeit und Geld investiert werde, das Ergebnis allerdings nicht zufriedenstellend sei. Ganzke: "Darum braucht es eine Strategie mit konkreten Maßnahmen, die auch zum Unternehmen passen und die Organisation nicht überfordern."

Hierbei sei es wichtig, Führungskräfte und Mitarbeiter bei der Umsetzung stets eng mit einzubinden. So gelinge es immer mehr, die Einstellung zum Arbeitsschutz zu verbessern und eine intrinsische Motivation zu entwickeln. Diese sei wichtig, damit auch ohne Aufsicht sicher gearbeitet werde und eben kein Unterschied z.B. zwischen Tag-, Spät- und Nachtschicht bestehe.

Gesamten Betrieb für Arbeitsschutz sensibilisieren

Die gesamte Belegschaft müsse hinter einer Safety Culture Strategie stehen können. Jedoch beginne das Commitment beim Management, der Geschäftsführung und den Führungskräften. Sie müssen sich zum Arbeitsschutz bekennen. Anschließend können sie ihre Mitarbeiter über die individuellen Ziele, Maßnahmen sowie Erwartungen informieren und sie zur Beteiligung motivieren, etwa im Rahmen von Informationsveranstaltungen.

Maßnahmen frühzeitig umsetzen

Sobald sämtliche Grundlagen geschaffen wurden, können die Maßnahmen aus der Strategie im Unternehmen umgesetzt werden. "Im Rahmen dieser Strategie ist es meist sinnvoll, Trainings mit Führungskräften und Mitarbeitern durchzuführen", rät er. "Da das Verändern von menschlichen Gewohnheiten Wochen und Monate dauert, reicht eine einzelne Veranstaltung nicht – stattdessen muss es um ein systematisch aufeinander aufbauendes Training gehen."

Darüber hinaus gelte: Um eine Veränderung in den Trainings zu erzeugen, brauche es eine starke Interaktion und Gruppenarbeiten, um die Menschen zum Nachdenken zu bewegen und Veränderungen einzuleiten. Sinnvoll könne auch sein, sich einen Sparringspartner für den Veränderungsprozess zur Seite zu stellen, der bei Fragen mit Rat und Tat bereitstehe.

Nicht zu vergessen seien auch Maßnahmen wie das Schaffen einer positiven Arbeitsatmosphäre sowie die Würdigung und Anerkennung von sicheren Verhaltensweisen. Das steigere einerseits die intrinsische Motivation und Zufriedenheit der Belegschaft. Andererseits stärke es deren Fokus auf einen Arbeitsalltag, der auch aufgrund des eigenen Engagements für alle sicherer werde.