Schadensfall 3/2015 Rücken Sie falsche Vorstellungen zurecht

Dass Raffstores freitragend montiert einen geringen seitlichen Spalt aufweisen und geschlossene Lamellen aus einem bestimmten Winkel betrachtet nicht ganz blickdicht sind, ist für Fachhandwerker kein Geheimnis. Um späteren Ärger zu vermeiden, sollten Sie auch Ihre Kunden auf diese Tatsachen hinweisen.

Nach erfolgter Montage der Raffstores beschwerte sich der Auftraggeber über den mangelnden Sichtschutz der Anlagen sowie über die Spaltmaße. - © Müller

Der örtliche Markisenhändler erhielt den Auftrag, mit acht Raffstoreanlagen die Räume des ersten und zweiten Obergeschosses eines Wohn/Büro-Gebäudes zu verschatten. Der Auftraggeber hatte sich eine blickdichte Abschattung, insbesondere bei Nacht, vorgestellt, da die Räume als Unterkünfte vermietet werden sollten. Der Montagebetrieb wählte für diese
Anforderungen ein Lamellensystem mit erhöhtem Windlastwiderstand sowie mit an den Lamellenkanten angesetzten Dichtprofilen zur Schallreduktion. Als Ausführung entschied der Betrieb sich gemeinsam mit dem Auftraggeber für ein marktbekanntes, freitragend montiertes System.

Schadensbild

Nach erfolgter Montage rügte der Auftraggeber den mangelnden Sichtschutz der Anlagen sowie die vorhandenen Spaltmaße. Die Auseinandersetzung landete vor Gericht. Im Be -
weis beschluss liest sich dies so: „Die Anlage ist zu gering dimensioniert. Sie weist an den Seiten und unten jeweils einen zirka zehn Zentimeter breiten Sichtbereich auf, so dass die Räume von allen Seiten einsehbar sind.“ Dies stelle objektiv einen Mangel dar, da es ohne Weiteres möglich gewesen wäre, die Anlage so zu bemessen und anzubringen, dass durchgehender Sichtschutz bestanden hätte.

Schadensanalyse

Bei der Begutachtung stellte der hinzugezogene Sachverständige Folgendes fest: Vor dem Gebäude sind einige Parkplätze ausgewiesen; die Räume liegen erhöht. Auch bei geschlossenen Lamellen können Personen so bei Nacht in einem beschränkten Winkel durch die Schräge in die dahinterliegenden Räume sehen. Die freitragend montierten Anlagen wiederum bewirken einen Mindestabstand vor der Wand und damit unvermeidlich einen geringen seitlichen Lichtspalt. Im Bereich der beiden zwischen den Anlagen befindlichen Regenfallrohre musste der ausführende Betrieb die Schienen zwar leicht nach innen versetzt anbringen. Alles in allem bescheinigt der Sachverständige ihm aber eine sachgemäße Lieferung und Montage.

Hintergrund

Um möglichst ruhige Anlagen mit hohen Verschattungszeiten anbieten zu können, wählte der Auftragnehmer die breiteren Lamellen in Z‐Form mit Gummilippe. Eine Wahl, welche vom Auftraggeber gründlich missverstanden wurde. Dieser entnahm dem beigefügten Prospekt lediglich die nachfolgenden Originalaussagen und interpretierte das gewählte Lamellensystem als sturmsicher und total abdunkelnd:

• Die Lamellen greifen perfekt ineinander und sorgen so für den Abdunkelungseffekt.
• Damit eignet sich das Produkt besonders für den Schlafbereich oder Präsentationsräume – und damit immer dann, wenn Lichteinfall bei Bedarf reduziert werden soll.
• Ein Keder in der Lamellenvorderkante reduziert den Lichteinfall zusätzlich und verhindert Klappergeräusche.
• Die besonders stabilen Lamellen machen diese Raffstores sehr widerstandsfähig.

Dabei ergänzt der Hersteller in den nachfolgenden Erläuterungen, dass es sich nicht um sturmsichere Verdunkelungsanlagen, sondern um Abdunkelungsanlagen mit einem höheren Windwiderstand handle. Aus fachlicher Sicht ist das klar, aus Laiensicht leider nicht. Dass es keine wirklich sturmsicheren Sonnenschutzanlagen gibt, ist nach wie vor nicht allgemein bekannt.

Lösung

Sobald Mehrpreise ins Spiel kommen, stuft der Kunde die daran geknüpften Zusatznutzen erheblich höher ein, als diese letztlich sind. Der Kunde im vorliegenden Fall wollte die eierlegende Wollmilchsau und glaubte, mit dem Montagebetrieb exakt diese Lösung gefunden zu haben. Zudem vertraute er offensichtlich dem bekannten Namen des Herstellers, welcher allerdings weder involviert noch sonst irgendwie am Geschehen beteiligt war.

Das entscheidende Landgericht urteilte dieses Mal im Sinne des Handwerkers. Dessen ungeachtet wären im vorliegenden Fall Vorbauelemente die bessere und richtige Wahl gewesen, um die Kundenwünsche zur Zufriedenheit zu erfüllen.