Dr. Marc Natusch, Geschäftsführer von Geiger, im Interview „Es stehen mehr Objekte denn je zur Vergabe an.“

Geiger Antriebstechnik stellt sich breiter auf: Setzt das Unternehmen seit 1952 Raffstores, Markisen, Rollläden und innen liegenden Sonnenschutz am Fenster in Bewegung, ist nun die Verschattung in Closed Cavity Fassaden dran. sicht+sonnenschutz traf Geschäftsführer Dr. Marc Natusch.

Beim Weg von Geiger Antriebstechnik in die Fassade markiert GSI den zweiten Anlauf. - © Kober

sicht+sonnenschutz: Herr Dr. Natusch, im Januar berichtete GFF über Geiger System Inline zur Bedienung der Verschattung in CCF. Wie ist es Ihnen damit ergangen?

Natusch: Für uns war das ja Neuland. Bisher waren unsere Partner stets die Hersteller von Trägerprodukten für unsere Sonnenschutz-Antriebe und -Steuerungen. Wenn wir jetzt über GSI sprechen, dann reden wir über die Zielgruppen Fassadenhersteller bzw. -planer im typischen Projektgeschäft.

sicht+sonnenschutz: Mit Letzterem waren Sie bisher nicht in Berührung. Was war für Sie neu?

Natusch: Insbesondere die langen Laufzeiten, denn es können Jahre zwischen Planungsphase und der Realisierung des Objekts liegen. Da brauchen Sie einen langen Atem.

sicht+sonnenschutz: Sie hatten bisher eine gewisse Projektkompetenz durch die Realisierung von Sonderlösungen in der Zusammenarbeit mit Sonnenschutzherstellern.

Natusch: Nein, das kann man so nicht sagen. Richtig ist, dass für uns am Beginn der Entwicklung nie Stückzahlen das K.o.-Kriterium waren, das ist der Struktur unseres nicht auf Quartalsziele gerichteten Unternehmens geschuldet. Jüngstes Beispiel ist ein Pergolaantrieb, bei dem wir anfangs von einem Umfang mit 80 Einheiten ausgingen; zwischenzeitlich sind daraus 1.200 geworden, was uns natürlich freut. Dabei von Projektkompetenz zu sprechen, würde zu weit gehen.

sicht+sonnenschutz: Konkret bedeutet das, dass Sie oft mit Themen Geld verdienen, die anderswo von vorneherein so genannte Wirtschaftlichkeitskriterien nicht erfüllen würden.

Natusch: Das kann man so sehen, ja; und wir haben uns seit jeher auf die Fahnen geschrieben, unseren Kunden zuzuhören. Auf alle Fälle bleiben wir im angestammten Sonnenschutz-Markt weiter fest verankert. Zusätzlich mussten wir jetzt das Projektgeschäft mit seinen spezifischen Anforderungen neu lernen und haben dafür auch eigens
Personal aufgebaut.

sicht+sonnenschutz: Wie haben Sie die Gesellschafter von diesem neuen Geschäftsfeld überzeugt?

Natusch: Das musste ich nicht. Geiger Antriebstechnik wurde von der Eigentümerfamilie in eine Stiftung überführt und hat einen sehr kompetenten Unternehmensbeirat. Der hat uns vor vier Jahren ins Stammbuch geschrieben, die ausschließliche Abhängigkeit von der Sonnenschutzbranche zu reduzieren.

sicht+sonnenschutz : Wie war Ihre erste Reaktion?

Natusch: Zum Glück waren wir damals schon auf Messen von Interessenten angesprochen worden, die eine Antriebslösung für Verschattungsanlagen in der Fassade suchten. Diesen Input hatten wir. Da haben wir überlegt: Sollen wir wirklich zum Beispiel Antriebe für Werkzeugmaschinen machen – ein für uns komplett neuer Markt; da war klar, dass der Weg in die Fassade nicht so weit sein würde.

sicht+sonnenschutz: Dann kam als Erstaufschlag in diesem neuen Segment der T90.

Natusch: Ja, das war ein Flop, da will ich nichts beschönigen. Es geht eben in der Fassade um thermische Stabilität. Und da haben wir gesagt: Wir können einen Antrieb im Scheibenzwischenraum realisieren, der bis 90 Grad Celsius funktioniert; ich denke heute noch, wir würden auch 100, 105 Grad hinkriegen. Doch der Markt ist hier skeptisch.

sicht+sonnenschutz: Jetzt sind Sie einen neuen Weg gegangen, mit dem Geiger System Inline.

Natusch: Das Entscheidende ist, dass wir nun an der Rauminnenseite sind. Wir treiben den Sonnenschutz, z.B. einen Raffstore, in der Kavität an; die Antriebslösung selbst befindet sich nicht in der Closed Cavity. Daher stellt sich das Hitzethema nicht in der bisherigen Komplexität. Wir haben mit dem GSI5610r das millionenfach bewährte
Modul des geräuschreduzierten GJ56-Antriebs mit mechanischer Endabschaltung außerhalb der CCF. Das bringt neben der thermischen Beständigkeit Vorteile, falls etwas ausgetauscht werden muss. In der Kavität kommen nur entsprechend thermisch belastbare und getestete Komponenten zum Einsatz.

sicht+sonnenschutz: Welche sind das?

Natusch: Das sind die Drehgeber GSI3.. und die Winkelgetriebe GSI1.. – weil alles eigene Entwicklungen sind, ist die Kompatibilität auch mit der dichten Durchführung durch das Aluminiumprofil als weiterer Komponente sichergestellt: Entsprechende Tests über 20.000 Zyklen sind gelaufen.

sicht+sonnenschutz: Wie sieht’s mit dem Absatz aus?

Natusch: Wir haben 18.000 bis 20.000 Stück in der Angebotsphase. Das Interesse auf den Messen war groß. Und in den nächsten sechs bis zehn Monaten stehen mehr Objekte als jemals zuvor zur Vergabe an. Der erste Auftrag über 300 Antriebe ist gelaufen, die Einheiten werden gerade bei uns gefertigt und innerhalb der nächsten Monate eingebaut. Wenn Ihre Leser zu den GFF-Praxistagen nach Karlsruhe kommen, hören sie dazu mehr.

sicht+sonnenschutz : Inwiefern?

Natusch: Ich werde auf jeden Fall exklusives Bildmaterial vom ersten umgesetzten CCF-Objekt mit den GSI-Antrieben zeigen und auch grundsätzlich herausarbeiten, warum Closed Cavity die Fassade der Zukunft ist, mit der man sich jetzt beschäftigen sollte. Das Potenzial für die Betriebe ist definitiv vorhanden.

sicht+sonnenschutz: Für welche Betriebe?

Natusch: Ich spreche von Metallbauern mittlerer Größe, aber auch von Fassadenherstellern und Fensterbauern. Denkbar ist ein Geschäftsmodell, bei dem sich Unternehmen auf das Elementieren und den Einbau dieser Fassaden spezialisieren. Aber auch die Produktion mit den Aluminiumprofilen der Systemgeber bietet Chancen.

sicht+sonnenschutz: Wohin geht bei der Fassade in den nächsten Jahren der Trend?

Natusch: Für mich ist klar, dass die Fassade, auch die Außenhaut des Gebäudes insgesamt, beweglicher werden muss. Das gilt nicht nur für den Sonnenschutz. Wir reden hier ebenso über große Elemente, die sich für eine ungestörte Aussicht ausstellen, verschieben oder verdrehen lassen. Auch das Fenster hat hier noch Potenzial.

sicht+sonnenschutz: Wie organisieren Sie dieses neue Thema innerhalb des Unternehmens?

Natusch: Die klare Aussage ist, wir werden niemand vom angestammten Sonnenschutz-Markt abziehen. Für uns ist die Fassade eine weitere strategische Option, um die Arbeitsplätze in Deutschland an unserem Standort Bietigheim-Bissingen langfristig zu sichern und unser Unternehmen breiter aufzustellen. Reinhold Kober