Hausautomation: Scheitert der Erfolg am Ego? Die Inseln müssen kleiner werden

Die Aussagen über Hausautomation auf der Messe reichen von „Die Branche steht ganz am Anfang“ (Elero) bis „Wir planen jährlich mit einem Wachstum von 30 Prozent“ (Rademacher). Technisch gesehen bietet sich dem Messebesucher ein Gemischt-warenladen dar: KNX, LON, KNX-RF; und was sagt der Verarbeiter? „Die Unüber-sichtlichkeit verunsichert“, findet Uwe Niepel.

Mehr Montage-Freundlichkeit: Bei Heroal transportieren Anton Buhler (li.; Konstruktion= und Nico Steblau (re.; Entwicklung), dass sich in Verl vieles um den Praktiker (hier: Andreas Jäger) dreht. - © Kober

Rückblende: „Das Haus in der Tasche“, hieß der Titel in sicht+sonnenschutz nach der vorangegangenen Veranstaltung 2012 voller Zuversicht. Was hat sich seither konkret getan, von Verheißungen einer glänzenden Automationszukunft einmal abgesehen? Die Vielstimmigkeit ist jedenfalls geblieben, das lässt sich festhalten. Branchenroutinier Axel Lamprecht, bei Elero verantwortlich für Export und Marketing, sagt: „Die Branche steht bei der Hausautomatisierung ganz am Anfang und setzt bisher auf Insellösungen. Auch unsere, Centero, ist ein proprietäres System.“

Bei Selve freut sich Geschäftsführer Andreas Böck über die positive Resonanz auf ein System für die Rollladen- und Jalousiebaufachbetriebe, an dem sich Änderungen problemlos vornehmen ließen (siehe den kompletten sicht+sonnenschutz -Messefilm u.a. mit dem Böck-Interview inklusive Fußballfrage auf www.sicht-sonnenschutz.com!) – die Rede ist vom Commeo Home Server, bei dem sich dank bidirektionaler Technik der Status der gesamten Steuerungsanlage inklusive aller Empfänger anzeigen lässt. „HomeMatic-Produkte
wie Heizkörperthermostate, Funkaktoren für Lichtschalter, Leistungsschalter für Geräte mit höherer Stromaufnahme, Lichtdimmer, Fensterkontakte und Rauchmelder sind integrierbar“, sagt Produktmanager Stefan Backenecker.

Marktführer Somfy begegnet der früheren Kritik, sich technologisch abzukapseln, mit einer höheren Kompatibilität von Tahoma, die heute Lösungen der Branchenunternehmen GU, Velux, Hoppe einschließt; und kontrolliert die Diskussion um die Datensicherheit unter Verweis auf das Siegel „Approved Security“ des unabhängigen IT-Sicherheitsdienstleisters SySS. Auf dem Funkstandard KNX-RF aufgesetzt hat Becker- Antriebe mit B-Tronic Central Control – auch hier hat der Nutzer auf Wunsch unterwegs mit dem Handy jederzeit Zu -
griff auf Rollläden, Markise, Garagentor, Dachfenster, Licht, Alarmanlage, schaltbare Steckdosen und nutzt Vorzüge wie Bidirektionalität/Statusmeldung oder eine Hinderniserkennung.
Wie entscheidet der Fachhändler?

„Wichtig für mich ist eine gute Betreuung.“

In Anbetracht dieser Gemengelage fragt man sich schon, welche wesentlichen Kriterien der Fachhändler bzw. -betrieb bei der Wahl seines Hausautomationspartners anlegt. In Halle 1 ist gerade Uwe Niepel, Geschäftsführer von Fensterbau Düren, unterwegs. Er ist branchenbekannt mit seinem Team von derzeit knapp 20 Mann sehr rührig und nutzt beinahe sämtliche zu Gebote stehenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten: „Die Messe ist gewaltig. Um so weniger verstehe ich, dass einige Informationsangebote wie z.B. explizit zur Hausautomatisierung doch eher mäßig angenommen werden.“ Die Erfahrung machte in anderer Hinsicht sicht+sonnenschutz , die Zeitschrift hatte zum Messeauftakt am 24. Februar 2015 Martin Smolinski, den Kapitän der deutschen Speedway-Nationalmannschaft, verpflichtet. Die umweltfreundlichste Motorsportart der Welt ist so spektakulär wie anspruchsvoll, die Rennmotorräder mit einem Verhältnis von Gewicht zu Leistung von eins zu eins beschleunigen so schnell wie Formel-1-Rennwagen von null auf 100 Stundenkilometer, ehe sie dann – ohne Bremsen! – in die erste Haarnadelkurve des Streckenovals einbiegen. Doch auch Smolinski, der 30-jährige letztjährige Gewinner des Speedway Grand Prix von Auckland/NZL, musste nicht allzu viele Autogramme schreiben.

Zurück zum vernetzten Haus: Auf die Frage, welches Argument für ihn bei der Wahl des Hausautomationspartners entscheide, sagt Rademacher-Kunde Niepel: „Ich habe gute Ansprechpartner.“ Doch hat einer wie er stets das große Ganze im Blick – und lässt sich auch schon mal am Stand von Dooya sehen. Im Gespräch mit dem sicht+sonnenschutz -
Reporter kritisiert der Unternehmer das Nebeneinander so vieler isolierter Lösungen: „Das macht die Sache unübersichtlich. Und das sorgt auch für Verunsicherung.“ Der Einwand,
mit Blick auf die Marketing-Millionen sei die Zukunft dann wohl doch gelb, lässt den Inhaber des Betriebs in Düren-Hoven kalt: „Entscheidend für das System, das der Kunde kauft, ist immer der Fachhändler“, ist sich Niepel sicher.

Zwischenfazit Steuerungs-, Antriebshersteller bzw. Hausautomation: Aufgefallen auf der R+T sind das Aufräumen bei Selve, wo Kunden ab sofort unidirektional ausgelieferte und so mit Funksendern zu steuernde Antriebe bei Bedarf selbst auf den bidirektionalen Level bringen, und die interessante Gesten-Steuerung bei Becker. Bei Hunter Douglas, dem Marktführer aus dem niederländischen Rotterdam, wähnt man sich in der Frage der Marktdurchdringung schon ein Stück weiter. Wie Aad Kuiper, President und CEO European Operations, den Gästen einer stilvollen Abendveranstaltung im Mercedes-Benz Museum eröffnet, soll der Erfolg der Wabenplissee-Marke Duette nun in den Endverbrauchermarkt getragen werden. Dazu lief Mitte April eine Consumer-Kampagne zentral in Berlin an ( sicht+sonnenschutz berichtet in seiner Maiausgabe ausführlich) – die sich aber durchaus an den Erfolgen der vergangenen Jahre mit Duette im B2B-Sektor orientieren kann. Tatsächlich ist es, mit einer schlüssigen Strategie und entsprechender Marktpotenz, gelungen,
Aspekte wie Raumschalldämmung, Energieeinsparung und Kindersicherheit (für LiteRise gab’s den Innovationspreis zur R+T 2015) tief im Bewusstsein der Branche zu verankern; und zwar in Hinblick auf den bisher nicht in erster Linie unter funktionellen Aspekten betrachteten innen liegenden Sonnenschutz. Wie gelingt es der Branche, den Fachpartner zu stärken?

„So erschließt er sich neue Märkte.“

Hatte Heroal mit dem Rollladen- und Sonnenschutzsystem RS Hybrid den für das Unternehmen neuen Weg bereits erstmals vor drei Jahren beschritten, so folgte nun mit dem Tageslichtsystem Heroal LC und dem Zip-Screen (einer der ganz großen Produkttrends dieses Jahr) VS Z die weitere Diversifizierung. Konrad Kaiser, der Geschäftsführer,
sieht in den „innovativen außen liegenden Beschattungsmöglichkeiten für unsere Partner die Chance, neue Märkte zu erschließen“. Jedenfalls eher als mit dem Standardprodukt Rollladen, dem ein ähnliches Schicksal bevorstehen könnte wie dem viel zitierten Kunststofffenster weiß. Heroal ist nun also mit einer eigenen Range Sonnenschutzsysteme am Start – betont ansonsten aber gerne, dass die tradierten Werte des Familienunternehmens mit Sitz in Verl Bestand haben: „Wir bringen auch weiterhin Längenware“, sagt Jennifer Kracht von der Presseabteilung, „die Wertschöpfung für die Verarbeitung bleibt beim Kunden.“ Technische Spezialitäten, das ist eine klare Erkenntnis des Messebesuchs, werden in der R+S-Szene immer wichtiger. Beispiel Speed: Ob bei Wicona oder Gerhard Geiger, das Bild der Raffstore-Rennen – zwei Anlagen fahren nebeneinander nach unten, um Geschwindigkeitsunterschiede zu illustrieren – bestimmt immer häufiger die Präsentation an den Ständen. Die Differenzen sind augenfällig, nur dann funktioniert ja das Spiel. Also
wartet Harald Freund, in Marktheidenfeld Vorstand Vertrieb und die Nummer zwei in der Gruppenadministration, vermeintlich geduldig, ehe er den Schnellen Terrassen-Motor (STM) von
der Leine lässt; binnen Sekunden holt der damit gefahrene Behang auf, um das Dreifache schneller als normal schieben sich die schönen randgebördelten 80S-Lamellen von Warema vor die Aussparung, das angedeutete Fenster – am Ende ist der Rückstand der Anlage ohne STM trotz des signifikanten Vorsprungs am Start beträchtlich. Viel Wert legt Freund darauf, dass den Hausbesitzer erst ein spezielles Lager, eine Eigenentwicklung des SonnenLichtManagers, in die Lage versetzt, alle Vorzüge zeitgemäßer Raffstoretechnik optimal zu nutzen. Denn dieses Detail entkoppelt den Wendevorgang der Lamellen von der vertikalen Verfahrgeschwindigkeit, was eine präzise Ausrichtung des – dazu nun weitaus
langsamer bewegten – Behangs ermöglicht.

Unter dem Dach von Entrematic umfasst das Portfolio der Assa Abloy-Tochter die Marken Dynaco (70 Millionen Euro; Schnelllauftore), Normstahl (70 Millionen Euro; Garagentore), Ditec (70 Millionen Euro; Tür- und Torautomatik), EM (20 Millionen Euro; Türantriebe). Gerade bei den Schnelllauftoren, die bspw. in Food- oder Kälte-Bereichen sowie für Reinräume zum Einsatz kommen, zählen ein sehr hohes Maß an Dichtigkeit, je nach Push/Pull oder Gravität Öffnungs- bzw. Schließgeschwindigkeiten bis 2,7 Meter pro Sekunde und eine sog. Selbstreparaturfunktion zu den entscheidenden Argumenten. Was Letzteres bedeutet, führt Rudi Velders von der belgischen Dynaco Entrematic am Messestand in Stuttgart vor – mit einem beherzten Hechtbagger, wie er einem Volleyballprofi zur Ehre gereichte. Der PVC-Behang macht die Bewegung mit, zeigt dann aber ein 100-prozentiges Rückstellverhalten und
ist dadurch z.B. beim Zusammentreffen mit einem Gabelstapler nicht so schadensanfällig.

Zwischenfazit Sonnenschutz und Tore: Die Zahl der Funktionen wächst weiter – schon jetzt besteht die Kunst darin, dem Endnutzer diese zugänglich zu machen. Wertfrei fällt die hohe Marktabdeckung der entwicklungsaffinen Engineering-Profis von Geiger Antriebstechnik unter den Komponenten neuer Trägerprodukte auf – heilig’s Blechle, da tüftelt sich jemand auf die Pole-Position!

Ähnlich wie beim Basisprodukt Rollladen ist auch rund um die Markise einiges in Bewegung. Wer dabei war, der wird sich erinnern an die damals kontrovers aufgenommene Ankündigung von Dan Schmitz, das Unternehmen mit Sitz in Emsdetten werde sich aus der Acrylproduktion zurückziehen. Aus heutiger Sicht kann man sagen: Powered by Polyester ist Markilux zuletzt ganz schön nach vorne marschiert, die Schmitz-Werke bilanzieren ihr bestes Markisenjahr und – der Wettbewerb sucht nach Antworten.

Oder suchte. Denn Lars Rippstein, Geschäftsführer von Dickson-Constant in Deutschland, hatte im Gespräch mit sicht+sonnenschutz bereits vor Monaten durchblicken lassen, der
Markt tue gut daran, das Leistungsportfolio um wertschöpfende Alternativen zur Markise zu erweitern. In Stuttgart zeigt das Unternehmen mit Area+ passend dazu einen neuen Stoff
für das Trendprodukt Pergola, dessen filmische Präsentation auf www.dickson-constant.com/en/UK/solar-protection/area-plus bereits ein Erlebnis ist. Die Top-Ausführung Expansion aus spinndüsengefärbtem Polyacryl punktet mit Wasserundurchlässigkeit, UV-Beständigkeit, Formstabilität und der Weiterentwicklung von Lebensqualität zu Lifestyle. Wie sieht’s also aus beim textilen Sonnenschutz?

„Hier haben wir die meiste Dynamik.“

Tatsächlich sind die Textiler wie so häufig mit einem guten Näschen ausgestattet für die Befindlichkeiten der kaufenden Zielgruppen. Klar ist: Hier ist Gestaltungsaffinität zu Hause, das geht aber Hand in Hand mit intelligenten Detailumsetzungen (siehe dazu auch den sicht+sonnenschutz -Praktikercheck auf einer der nächsten Seiten) wie im Fall des mit sehr gutem Wickelverhalten punktenden Systems Zip 2.0 von MHZ Hachtel oder bei der Low E-Range von Serge Ferrari, die nun auch Goldtöne einschließt. Das französische Unternehmen, das vor zwei Jahren 140 Millionen Euro umsetzte, steht natürlich für Soltis; aber auch für ein neu entwickeltes Verfahren, bei dem einzeln ummantelte Polyesterfäden (!) für das besonders feine Gewebe des Zip-Systems Z Plus sorgen – bis hin zum sensiblen Randbereich des Batyline-Gittergewebes mit „äußerst flacher Reißverschlussraupe“.

Oder ganz ohne PVC: Bei Sattler sieht Mag. Sabine Katzer zunehmend einen Trend in diese Richtung, das Unternehmen antwortet darauf mit den Qualitäten Pearl, Metal und Space seiner neuen Sicht- und Blendschutz-Kollektion Twilight – auch diese Produkte sind prädestiniert für Zip-Anlagen.

Zwischenfazit textiler Sonnenschutz: So bestätigt sich, was R+T-Projektleiter Sebastian Schmid, der auch dieses Jahr wieder Architektenveranstaltungen für bis zu 2.000 Teilnehmer während der R+T organisierte und so für eine Begegnung von Branche und Planungskunden sorgte, schon vorab durchblicken lässt: „Die größte Dynamik dieses Jahr haben
wir beim textilen Sonnenschutz.“ Das ist auch deshalb ein Wort, weil die R+T lange vor allem als Technikschau wahrgenommen wurde. Doch die R+T ist alles.
Am Ende noch mal den Bogen zum Ausgangspunkt zu schlagen, das klappt mit Helmut Friedrich, CEO von ASO und Vorsitzender des BAS.T. Der Unternehmer beeindruckt mit einem Blick über den Tellerrand, sowohl, was andere Interessengruppen im Markt, als auch, was seinen Mitbewerb angeht. Friedrichs Unternehmen setzt zirka 20 Millionen Euro um, etwa die Hälfte davon mit Komponenten für Türen und Tore. Er sagt: „Derzeit ist die Situation in der Normung so, dass mit dem Installationsbetrieb der das meiste Risiko trägt, der am wenigsten qualifiziert ist, die komplexen Anforderungen an das Endprodukt Tor zu bewältigen. Und wenn er nicht aufpasst, dann kreiert er rechtlich gesehen eine neue Maschine und
wird bei Gericht zum Vollhafter.“ Das zu ändern, erforderte eine Abstimmung der Branche mit dem Ziel, entlang der Segmente Torblatt, Antrieb, Steuerung, Sicherheitskomponenten normativ Schnittstellen zu definieren und so den Betrieb in die Lage zu versetzen, mit Plug-and-Play-Elementen sein Risiko fair zu managen. Die Voraussetzung dafür ist auch hier – weniger Inseln, mehr globale Erfolge! Reinhold Kober