Schadensfall 4/2020 „Die Hersteller sind nicht gerüstet.“

Neues Prüfstück – zusätzlicher Test: Bestehende kraftbetätigte Schiebetore mit Füllstäben erreichen in großer Zahl nicht die aktuellen Anforderungen der DIN EN 12453, warnt Markus Macal. Der ö.b.u.v. Sachverständige erklärt, worauf Hersteller achten müssen und warum auch Drehflügeltore ein konstruktives Update benötigen.

Prüfstück im Einsatz: Im konkreten Fall ist der Abstand zwischen dem Torkörper und den seitlichen Sicherheitsleisten zu groß. - © Macal

Im November 2017 ist die überabeitete DIN EN 12453 erschienen, im Dezember des gleichen Jahres die aktualisierte DIN EN 12604. Wenn man mit offenen Augen durch die Lande fährt, erkennt man jedoch schnell, dass sich die Bauart von Schiebe- und Drehtoren nicht verändert hat. Das scheint einerseits daran zu liegen, dass zu wenig Aufklärung stattfindet. Andererseits sind zwar auch die Hersteller dazu verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden – doch auch das findet leider sehr häufig nicht statt.

NEUES PRÜFSTÜCK EINGEFÜHRT

Die neue DIN EN 12453 beschreibt neben den beiden Prüfkörpern A und B ein neues Prüfstück. Und dieses hat es in sich. Zunächst möchte ich erläutern, welche Größe dieses Prüfstück hat und welchen Zweck es erfüllen soll. Das Prüfstück ist ein Körper mit einer Gesamtlänge von 500 Millimeter und einer Kantenlänge von 120 mal 120 Millimeter. Es soll eine Person darstellen – ggf. ein Kind – und wurde eingeführt, um das Mitfahren auf einem Schiebetor zu simulieren. Das heißt: Ist ein Schiebetor kraftbetätigt und impulsgesteuert, so muss der Prüfer/Sachkundige bei seiner jährlichen Prüfung dieses Prüfstück auf dem Tor mitfahren lassen, um die Sicherheit des Tores zu prüfen. Wenn das Prüfstück in der ungünstigsten Stellung am Tor positioniert wird, muss es erkannt werden, bevor es gefährliche Stellen, wie z.B. das Torportal, erreicht.

AUCH BESTANDSTORE BETROFFEN

Gilt das auch für Tore im Bestand? Die Antwort ist relativ einfach. Ja, auch Bestandstore müssen den heutigen sicherheitstechnischen Anforderungen entsprechen. Die Maschinenrichtlinie befasst sich mit dem Stand der Technik. Da kraftbetätigte Tore nicht nur Bauprodukte im Sinn der Bauproduktenverordnung (BauPVO) sind, sondern ebenso Maschinen, muss auch die neueste Fassung der DIN EN 12453 bei der sicherheitstechnischen Betrachtung eines Tores herangezogen werden.
Bis zu diesem Punkt erkennt man vielleicht noch nicht die fatalen Folgen für eine riesige Anzahl von Toren im Bestand. Aber ohne zu übertreiben: Ich gehe davon aus, dass 80 Prozent sämtlicher kraftbetätigter Schiebetore mit Füllstäben davon betroffen sind. Unsere jüngsten Untersuchungen zeigen, dass fast alle namhaften Hersteller bei diesem Test durchfallen. Das heißt: Dieses Prüfstück wird für Hersteller, Prüfer und Sachverständige eine große Herausforderung. Im Bild ist gut das eigentliche Problem zu erkennen. Das Prüfstück wird weder detektiert, noch wird es von den Schließkantensicherungen erfasst. Im konkreten Fall ist der Abstand zwischen dem Torkörper und den seitlichen Sicherheitsleisten zu groß. Was hier mit einem Kind passieren würde, möchte man sich gar nicht ausmalen.

DREHTORFLÜGEL GEGEN ABSTURZ SICHERN

Eine weitere Neuerung im Bereich der Normen findet sich in der DIN EN 12604. Hier geht es um mechanische Aspekte. Zitat aus der Norm, Abschnitt 4.3.5: Sicherung gegen Abstürzen von Drehflügeltoren: „Flügel von Drehtoren müssen gegen Abstürzen eines einzelnen Elements des Befestigungssystems gesichert sein. Wenn ein Scharnier oder ein anderes Tragmittel versagt, muss die Absturzsicherung den Torflügel mit einer maximalen Verschiebung von 300 Millimeter von der Drehachse in Position halten können.“ Was heißt das für den Torbauer? Im Grunde genommen muss der Torbauer bei Drehflügeltoren zukünftig darauf achten, dass bei Abriss/ Bruch eines Scharniers das Tor nicht umfallen kann. Es gibt auch hier sicher nicht die eine Optimallösung, sondern unterschiedliche Ansätze. Ich persönlich halte ein drittes Band/ Scharnier für eine sehr gute und umsetzbare Lösung. Wobei dieses Band nicht unbedingt als Scharnierkörper arbeiten muss – es muss im Zweifel nur in der Lage sein, den Flügel zu halten. Auch hier werden sich die Hersteller auf die neuen Aspekte einstellen müssen. Bislang kann ich allerdings nicht erkennen, dass im Markt ein großflächiges Umdenken stattgefunden hätte: Konstruktiv haben sich bislang keine Änderungen ergeben. Einige Hersteller, die sich fort- und weiterbilden, haben aber bereits auf ein drittes Band umgestellt.

FAZIT

Ob die neuen Regeln sinnvoll sind oder nicht, ist zwar diskussionswürdig, ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese den Stand der Technik darstellen und umgesetzt werden müssen.