Blitzinterview 4-21 Bürkle: "Der Übergabepunkt ist klar geregelt"

Auf dem Smart Home Forum der R+T digital ging eine Podiumsdiskussion der Frage nach, welche Chancen vernetztes Leben, Wohnen und Arbeiten für das Fachhandwerk bieten. An dem Expertengespräch nahm auch Thomas Bürkle, Vizepräsident es ZVEH, teil. Wir sprachen mit ihm über Smart Home als Schnittstelle zwischen R+S-Handwerk und Elektrohandwerk.

Thomas Bürkle, Vizepräsident Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) - © ZVEH

sicht+sonnenschutz:Wie geht das E-Handwerk das Thema Smart Home an?

Bürkle: Unsere Innungsfachbetriebe sind sehr Smart-Home-affin, haben das entsprechende Know-how und engagieren sich bereits sehr intensiv in diesem Wachstumsmarkt. Immer mehr Gebäude verfügen heutzutage über eine PV-Anlage, über Speicher und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität. Werden diese Elemente in ein gebäudeeigenes Energiemanagement eingebunden, ist die Basis für ein sogenanntes Smart Home gelegt und andere Gebäude-Aktoren wie zum Beispiel Sensoren können in dieses System integriert werden. Um über ausreichend qualifizierte Fachkräfte für diese Aufgaben zu verfügen und andere Gewerke einbinden zu können, haben wir in den Elektrohandwerken den neuen Ausbildungsberuf Elektroniker/-in für Gebäudesystemintegration geschaffen. Ausbildungsstart ist im Spätsommer 2021.

sicht+sonnenschutz: Wo sehen Sie die Schnittstellen zum R+S-Mechatroniker bzw. wie wollen Sie die Grenzen der Gewerke überwinden?

Bürkle: Wichtig ist: Es gibt eine elektrotechnische und eine informationstechnische/smarte Schnittstelle. Erstere ist mit sicheren Übergabepunkten, so, wie es sie auch zwischen den einzelnen elektrohandwerklichen Berufen gibt, klar geregelt. Ab dem Übergabepunkt übernimmt dann der R+S-Mechatroniker die Verkabelung, den Anschluss und die Prüfung seiner Geräte. Das viel größere Problem stellt aktuell die informationstechnische Schnittstelle dar. Denn jedes Gewerk, jeder Hersteller hat aktuell seine eigenen Schnittstellen – und das muss sich dringend ändern! So hat sich über ALL-IP, also über das Internet der Dinge, mittlerweile ein Standard entwickelt, wie man Schnittstellen normiert und für alle nutzbar machen kann. Davon profitieren letztendlich alle Gewerke. Hier ein Beispiel: In Leuchten sind heute schon Helligkeitssensoren eingebaut, die nicht nur für die Leuchte selber genutzt werden können, sondern z. B. auch für den Sonnenschutz. Eine Kopplung von Beleuchtung und Sonnenschutz würde es hier etwa ermöglichen, blendfrei möglichst viel natürliches Licht einzulassen und nur mit Kunstlicht nachzuregeln, so dass man mit niedrigem Energieeinsatz ein optimales Licht erhält. Einheitliche Schnittstellen mit ALL-IP haben daher meiner Ansicht nach großes Potential.

sicht+sonnenschutz: Wie kann der Integrationsprozess beschleunigt werden?

Bürkle: Zwischen manchen Handwerksberufen gibt es schon jetzt abgestimmte Vorgehensweisen. Trotzdem brauchen wir eine zentrale Plattform, die es uns ermöglicht, über Gewerkgrenzen hinaus zu denken. Und wir brauchen Systemintegratoren, die auch über Gewerkgrenzen hinausdenken und die die anderen Gewerke kennen. Dabei ist Zweierlei wichtig. Erstens, die Sicherheit steht an oberster Stelle! Informationstechnische ,Fehlschaltungen‘ müssen durch spezielle Software sowie das Know-how der Programmierer unbedingt vermieden werden. Zweitens, Ausfälle und Fehler müssen direkt an das jeweilige Fachhandwerk gemeldet werden. Dieses muss die Fehler dann gemeinsam (?) mit dem Systemintegrator beseitigen. Eine der größten Hürden für diese Art der gewerkeübergreifenden Zusammenarbeit ist, dass sich die Hersteller von Smart-Home-Technologien oder -Geräten in Europa bislang kaum untereinander vernetzt haben. Jedes Herstellersegment hat seinen eigenen Verband, ohne dass sich die Verbände über Standards austauschen. Bislang sehen sich Hersteller nur durch den Druck solcher Player wie z.B. ALL-IP oder Plattformen gezwungen, Standardschnittstellen einzurichten. Auch hier braucht es unbedingt ein neues Denken.

Fazit: Ein gewerkeübergreifender Austausch und eine engere Zusammenarbeit sind im Smart-Home-Bereich unumgänglich und mit dieser Vernetzung sollten wir uns beeilen. Denn wenn wir nicht in naher Zukunft enger zusammenwachsen, werden Dritte, so zum Beispiel Plattformen, in unseren Markt eindringen und diesem ihre Regeln diktieren, und das, obwohl unsere Gewerke mehr Qualität, mehr Optionen und einen höheren Datenschutzstandard bieten.