Schadensfall 6/2015 Der Kunde ist König - aber nur bis zur Grenze der Machbarkeit

Fachbetriebe sollten Wünsche des Kunden nicht um jeden Preis erfüllen. Im Zweifelsfall manövrieren Handwerker sich damit in eine Sackgasse, aus der sie nur mit schweren Blessuren für den Betrieb und einem Totalaustausch auf eigene Kosten wieder herausfinden.

Im Original hatten die R+S-Bauer nach außen aufrollende Linksroller und nach innen aufrollende Rechtsroller eingesetzt. - © Rinn

Ein Handwerksunternehmer beherzigte diesen Rat nicht und geriet prompt in einen Strudel aus Problemen. In einem größeren Einfamilienhaus aus den 70er-Jahren sollte er die Fenster gegen neue Energiesparfenster tauschen. Der Kunde wollte die Rollläden behalten; nicht aufgrund von übertriebener Sparsamkeit nach dem Motto „Die halten
doch noch 20 Jahre“, sondern vielmehr mit Blick auf die besondere Form der Behänge. Der Fensterbauer erfüllte den Kundenwunsch und integrierte die vorhandenen
Rollläden in die neuen Fenster. In vielen Fällen gelang es ihm, die neuen Führungsschienen so zu setzen, dass die Maße der Rollladenpanzer kleiner wurden, weshalb er die vorhandenen Panzer auf das neue Maß kürzte.

Schadensbild

In einigen Fällen verbreiterten die Handwerker das lichte Maß und gewährten den Rollläden zu viel seitlichen Spielraum. Mit viel Fantasie und eingelegten Unterfütterungsleisten kaschierten sie den Effekt mehr oder weniger erfolgreich. Die meisten Rollläden rüstete der Betrieb mit Elektromotoren nach. Der Kunde beschwerte sich nach dem Einbau über laute Geräusche beim Betrieb der Rollläden und stecken bleibende Profile beim Hoch- und Runterfahren der Behänge. Er forderte die Klärung des Falls. Ein Gutachter nahm die Situation vor Ort unter die Lupe.

Hintergrund

Beim Bau des Hauses hatten Planer aus statischen Gründen zwei verschiedene Typen von Rollläden eingesetzt: nach außen aufrollende Linksroller und nach innen aufrollende Rechtsroller. Um, z.B. an Eckkombinationen, eine nach außen einheitliche Optik der Rollläden zu erzielen, setzte der damalige R+S-Betrieb nicht die heute üblichen konkav-konvexen, sondern an der Innen- und Außenseite gleichermaßen gerade Profile ein. Die Originalrollläden aus rollgeformtem Aluminium mit Polyurethan-Schaum waren in der Farbe Dunkelbronze einbrennlackiert, die heute praktisch kein Anbieter mehr führt. Auch deshalb wollte der Auftraggeber die alten Modelle behalten.

Schadensanalyse

Bei den zu kürzenden Rollläden vergrößerten die Monteure die Probleme, weil sie die Rollpanzer einseitig im Ganzen absägten und die Abschnitte mit den alten Arretierungen entsorgten. Nun liefen die wieder montierten Rollläden mit den scharfen Schnittkanten in den neuen Kunststoff-Führungsschienen. Der Kunde vernahm die deutlich
hörbare Geräuschkulisse. Im Lauf der Zeit verschoben sich die einzelnen Profile und blieben dann hängen. Im Alltagsbetrieb hatte der Nutzer wenig Spaß mit seiner neuen, alten Rollladenanlage. Nach Ansicht des Sachverständigen wäre grundsätzlich eine Nachbesserung möglich gewesen, zumindest an den Rollläden, deren Breite die Verarbeiter nicht zu sehr reduziert hatten.

Lösung

Der Fachbetrieb hätte neue Arretierungen anbringen können und damit eine dem Alter entsprechende Funktionsfähigkeit der Rollläden erreicht. Aber das hier verwendete gerade Profil bot der Hersteller seit den 90er-Jahren nicht mehr an, und auch andere namhafte Hersteller führten kein vergleichbares Profil. Arretierungen lieferte auf
Nachfrage ebenfalls kein Produzent mehr. Für eine grundsätzliche und mangelfreie Instandsetzung blieb nach Ansicht des Experten nur der Austausch der Rollläden. Eine optische Gleichheit zwischen links und rechts aufrollenden Anlagen sei dann wahrscheinlich nicht mehr erreichbar. Eine Kombination von optisch ungleichen Links- und Rechtsrollern sieht der Sachverständige nicht als Mangel an, dem Laien falle der Unterschied in der Regel gar nicht auf.