Schadensfall 4/2015 Geht nicht, gibt's doch

Wer den Auftrag hat, Beschattungsanlagen aus Stoff, wie zum Beispiel Senkrecht-markisen mit Seilführung, zu montieren, der sollte dabei selbstredend nicht nur höchste Präzision bei der lotgerechten Befestigung an den Tag legen, sondern sich – schon vor Beginn der eigentlichen Arbeit – die Gegebenheiten vor Ort möglichst genau ansehen.

Fachgerechte Montage sieht anders aus. Dieses Foto zeigt, wie der Soltis-Behang und die laufende Anlage an der Schraube hängen bleiben. - © Hochmuth

Im vorliegenden Fall geht es um eine im Jahr 2003 neu errichtete Dreifachsporthalle. An deren Ost-, West- und Südseite befinden sich Senkrechtmarkisen mit einer Drahtseilführung aus Edelstahl und mit Screen-Stoffen. „Dem Vertrag über die Ausführung dieser Arbeiten lagen keine besonderen Bedingungen zugrunde“, erklärt Marc Hochmuth, der als in diesem Fall beauftragter ö.b.u.v. Sachverständiger für das Rollladen- und Jalousiebauerhandwerk die Aktenlage genau kennt.

Schadensbild

Nachdem Mängel an der Außenbeschattung moniert worden waren, begutachtete Hochmuth zunächst die Ostseite der Sporthalle. „Bei einer Anlage hat die verantwortliche Firma die
Befestigung des Seils sehr mangelhaft ausgeführt“, urteilt der Fachmann. So sei das Seil oben nur mit einer Schraube M8 x 65 V2A und Muttern M8 V2A an der seitlichen Kastenblende verschraubt gewesen. In der Mitte der gekuppelten Anlage diente der Rest der Schraube als weitere Aufnahme für das Drahtseil. „Durch diese mangelhafte Konstruktion können sich die Drahtseile nicht verschieben, um gegebenenfalls Ungenauigkeiten am Bau auszugleichen“, sagt der Sachverständige. Dies führe dazu, dass die Fallstange nicht lotgerecht in den Kasten einfahren kann. Die Fallstange stehe somit unter enormer Spannung. „Durch diese enorme Spannung reibt auch das drei Millimeter dicke Edelstahlseil an den Endkappen. Dies führt dazu, dass das Drahtseil schon Führungsbahnen in die Endkappen geschnitten hat.“ Obendrein stellte Hochmuth vor Ort fest, dass die Spanntöpfe, die sich im unteren Be -
reich befinden, mangelhaft montiert und falsch dimensioniert sind. Das Drahtseil wird durch diese Spanntöpfe geführt. Um für die Windstabilität des Drahtseils zu sorgen, wurden in den Spanntöpfen doppelte Federn eingebracht. „Außerdem befestigte die Firma das Drahtseil zusätzlich durch eine Aluminiumhülse mit 19 mal 15 Millimeter Durchmesser – mithilfe einer Vier-Millimeter-Innensechskantschraube M4.“

Schadensanalyse

Hochmuths Analyse dieses Zustands: „Es ist unmöglich, das Drahtseil mit Handkraft so zu spannen, dass dieses die Beschattungsanlage bei Wind gerade hält.“ Die Federn in den Spanntöpfen könnten maximal um 20 Millimeter gespannt werden. Bei Windstärke sechs dehnt sich das Drahtseil nach Aussage des Sachverständigen um zirka 15 Millimeter nach hinten oder vorne aus. Somit bleibe noch ein Restweg von fünf Millimeter. „Dies ist eindeutig zu gering“, sagt Hochmuth. Die Spanntöpfe sind mit einer Sechskantschraube M8 x 60 an einer Art Gewindehülse befestigt. Diese einseitige, einmalige Befestigung an der Fassade ist nach Aussage des Sachverständigen „fachlich nicht richtig“. Denn die Spanntöpfe könnten sich je nach Lage der Beschattung ungehindert nach links und rechts bewegen. Durch die nicht lotgerechte Montage der Drahtseile reibt sich das Drahtseil nach Ansicht des Experten im oberen Bereich der Spanntöpfe so auf, dass sich die Pulverbeschichtung und die Verzinkung der Spanntöpfe zu lösen beginnen. Dies führe dazu, dass die Spanntöpfe anfangen zu rosten. Hochmuth: „Die hier bemängelten Spanntöpfe, Befestigungen und Drahtseile sind an der kompletten Süd- und Ostseite zu beanstanden. Der Kasten, der zur Aufnahme des Stoffs, des Motors und der Drahtseile dienen sollte, war in Schachtmontage ausgeführt. Der Kasten besteht aus einer um zwei Millimeter mehrfach gekanteten, zweiteiligen Aluminiumblechhülle. Dieses Aluminiumblech ist im unteren Bereich mit einer Revisionsklappe ausgestattet. Zur Aufnahme des Motors, der Behangkopplung und der Endkappen ist eine 150 mal 150 mal acht Millimeter dicke Aluminium-Rechteckplatte an dem Aluminiumblech verschraubt. Als Antrieb wurde ein Jolly-Motor eingebaut. Über die Zugleistung und Daten konnte nach Aussage des Sachverständigen kein Hinweis gefunden werden. „Da die Schrauben für die Spannseile zu lang gewählt worden sind, reiben diese am Soltis-Behang. Das am Motor befindliche Anschlusskabel ist nicht mit einer Außenbohrung durch das Aluminiumblech geführt, sondern klemmt zwischen Aluminiumblech und Aluminium-Rechteckplatte“, bemängelt Hoch muth. Dies führe dazu, dass ein permanenter Druck auf das Kabel ausgeübt werde und dass dies auf Sicht zu einem Kurzschluss am Kabel führe. „Die gelieferten und montierten Anlagen sind zu breit bemessen. Sie schleifen an der Nachbaranlage“, urteilt der Sachverständige. Dieser Fehler sei zwar entweder
bei der Montage oder bei der Nachbesserung erkannt und mittels einer Trennscheibe etwas entschärft worden“, doch habe dies insgesamt nach Aussage des Experten zu keiner Ver -
besserung der Laufeigenschaften geführt. „Der in der Beschreibung der technischen Zeichnung aufgeführte Tuchabstand von 40 Millimeter ist an keiner Anlage eingehalten worden. Die hier bemängelten Kästen sind an der gesamten Ost- und Süd- bzw. an der oberen Westseite zu beanstanden.“

Hintergrund

Laut der technischen Beschreibung des Herstellers kann die Beschattungsanlage nur bis zu einer Höhe von 400 Zentimeter gebaut werden. Die vorliegende Anlage umfasst nach Aussage des Gutachters allerdings eine Gesamthöhe von 600 Zentimeter. Marc Hochmuth kritisiert: „In der Ausschreibung des Leistungsverzeichnisses und in dem Angebot fand sich freilich kein Einwand dagegen, diese Beschattungsanlage zu bauen. Es wurde auch keine Musteranlage montiert, um die Windverhältnisse und die erforderliche Konstruktion zu testen und abzunehmen.“ Einen Einwand hätte es vonseiten des Herstellers nach Ansicht des Sachverständigen geben müssen. Die zuständige Firma besitze zwar die nötige Sach -
kunde, Beschattungsanlagen herzustellen. „Bei dieser Art von Beschattungsanlagen fehlte es diesem Unternehmen aber an der erforderlichen Sachkunde und der Erfahrung“, sagt Hochmuth. Dies schließe er aus der fehlerhaften und schlecht ausgeführten Montage der Beschattungsanlage. Spätestens mit Beginn der Montagearbeiten für die Beschattungsanlage hätte die beauftragte Firma nach Ansicht des Experten erste Bedenken in Richtung Bauleitung formulieren müssen. Um den jetzt entstandenen Schaden zu reparieren, wären laut Hochmuth gleich mehrere – kostspielige – Maßnahmen nötig. So müssten sämtliche eingebauten Halter mit Spanntöpfen entfernt werden und stattdessen Halter mit Langlöchern (Laschen zirka 50 mal 120 mal fünf Millimeter, Langlöcher mindestens 35 Millimeter) an der Fassade befestigt werden. „Diese sollten als Entwurf dem
zuständigen Planer oder Statiker zur Begutachtung eingereicht werden.“ Alle Kästen sollten so ausgerichtet werden, dass sie lotgerecht und mit genügend Abstand zueinanderpassen. Treffe dies nicht zu, müssten die Kästen entfernt werden. Weiterhin seien sämtliche eingerissenen oder faltigen Stoffe zu erneuern. Die einzubauenden Drahtseile müssen UV-verträglich ummantelt sein, um ein Aufscheuern zu verhindern. Alle sichtbaren Teile müssen, wenn sie aus Stahl bestehen, verzinkt und pulverbeschichtet sein. Aluminiumteile sind nur zu pulvern. Des Weiteren sind an allen Anlagen vorder- und rückseitig Windsicherungsseile anzubringen. Die Fallstange ist um mindestens zehn Millimeter im Durchmesser zu vergrößern und dementsprechend zu beschweren. Dabei sei darauf zu achten, dass das Beschwerungsgewicht sich nicht in dem Fallrohr bewegen kann.

Lösung

Da nahezu alle Beschattungsanlagen defekt sind, wäre es laut Hochmuth allerdings wirtschaftlicher, die Anlagen komplett zu demontieren und neue Anlagen einzubauen. „Dabei rate ich zu Beschattungsanlagen mit Schienenführung“, sagt der Experte. Diese seien auf längere Sicht stabiler, da sie bei Windalarm in der Mitte der Höhe einen besseren Halt der Anlage gewährleisteten. Somit könne auch der Windwert von zirka 4,4 Meter pro Sekunde (entspricht Wind stärke zwei) erhöht werden.